Selbstversuch von US-Forscher
Durch Hunderte Bisse zu Mittel gegen Schlangengifte

Publiziert: 02.05.2025 um 17:34 Uhr
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Aktualisiert: 02.05.2025 um 17:49 Uhr
Die Aspisviper ist neben der Kreuzotter die zweite in der Schweiz vorkommende Giftschlangenart. (Archivbild)
Foto: ALESSANDRO DELLA VALLE
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SDASchweizerische Depeschenagentur

Der von Schlangen begeisterte US-Amerikaner Tim Friede hat sich selbst immer höhere Dosen Schlangengiften verabreicht. Schliesslich konnte er sich von verschiedenen giftigen Schlangen beissen lassen. Damit hat er eine aussergewöhnliche medizinische Entwicklung ermöglicht.

Denn darauf aufbauend haben Wissenschaftler der Columbia Universität in New York und des Medizinunternehmens Centivax ein Gegengift entwickelt, das ihren Angaben zufolge das am breitesten einsetzbare bislang verfügbare Mittel sein soll.

Das aus drei Stoffen bestehende Präparate soll vor den Giften von Königskobra, Schwarzer Mamba und 17 anderen Giftnattern (Elapidae) zumindest teilweise schützen, wie das Team im Fachblatt «Cell» berichtet. Ein grosses Problem bei der Entwicklung von Gegenmitteln gegen Schlangenbisse ist, dass die Gifte oft aus einem Cocktail verschiedener Toxine bestehen, die unterschiedliche Wirkungen haben. Normalerweise würden Gegengifte dadurch entwickelt, dass man etwa Pferden oder Schafen das Gift einzelner Schlangenarten verabreicht und die gebildeten Antikörper isoliert, schreiben die Forscher.

Dieses Verfahren könne zwar wirksam sein, aber auch gravierende Nebeneffekte haben, wenn die nicht-menschlichen Antikörper bei Menschen zum Einsatz kämen.

Forscher mit einmaliger Immungeschichte

Zudem wirken diese sogenannten Antivenome nur gegen die Gifte der jeweiligen Schlangenart. Das ist in diesem Fall anders. «Das Spannende an dem Spender war seine einmalige Immungeschichte», wird Erstautor Jacob Glenville, gleichzeitig Chef von Centivax, in einer Mitteilung des Verlags Cell Press zitiert. Friede habe sich über einen Zeitraum von fast 18 Jahren hundertfach von insgesamt 16 verschiedenen, sehr giftigen Schlangen beissen lassen. Er überlebte – und ist inzwischen bei Centivax angestellt.

Aus seinem Blut isolierten die Forscher zwei besonders breit wirkende Antikörper – LNX-D09 und SNX-B03 – und kombinierten sie mit einem Enzym-Hemmer zu einem Wirkstoff, der vor gleich mehreren Giften verschiedener Giftnattern schützen soll. In der Studie wurde dieser Cocktail an Mäusen getestet, die zuvor Gifte verschiedener Giftnattern verabreicht bekamen. Dabei bot das Mittel vollständigen Schutz gegen Gifte von 13 Schlangenarten – darunter waren die Königskobra, die Schwarze Mamba und der Inlandtaipan, der als weltweit giftigste Schlange gilt.

Gegen sechs weitere Spezies – darunter die Grüne Mamba – bot der Cocktail einen teilweisen Schutz.

Weitere Forschung notwendig

Die Forscher räumen ein, dass diese Erfolge an Mäusen noch nicht ausreichen. In einem nächsten Schritt soll das Gegengift in Tierarztkliniken an Hunden getestet werden, die von Schlangen gebissen wurden.

Eine weitere Einschränkung sieht der nicht an der Studie beteiligte Biochemiker Tim Lüddecke von der Universität Giessen darin, dass die Wirkung auf die Gruppe der Giftnattern begrenzt sei: «Die Gifte der Vipern, welche völlig anders wirken und anders aufgebaut sind, werden nicht adressiert.» Das habe wichtige Konsequenzen in der Anwendung, denn diese Gruppe von Schlangen (Viperidae) verursache einen Grossteil der Schlangenbisse.

Lüddecke kritisiert ausserdem, die Studie konzentriere sich nur auf den lebensrettenden Effekt des Gegengifts. Daneben gebe es aber auch oft lebenslange körperliche Einschränkungen durch Schlangengifte. Dennoch lobt der Experte, die Studie verbinde die vielversprechendsten Ansätze in der Entwicklung moderner Wirkstoffe gegen Schlangenbisse miteinander.

Das Team selbst verfolgt das Ziel, langfristig ein oder verschiedene Universalmittel zu entwickeln, das sowohl Giftnattern als auch Vipern abdeckt. Dem Forschungsteam zufolge sterben jährlich mehr als 100'000 Menschen an Vergiftungen durch Schlangenbisse, 300'000 weitere tragen dauerhafte Behinderungen davon. Dazu zählen etwa Sehverlust oder Amputationen von Gliedmassen.

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