Sekten-Kunst
Eine bizarre Reise ins Spirituelle

Eine Ausstellung zeigt Auftragswerke von Sekten und Geheimorganisationen. Die Bilder stammen aus einer einzigartigen Privatsammlung.
Publiziert: 29.11.2014 um 21:43 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2018 um 19:45 Uhr
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Letzte Rettung: «Jesus» aus Kursmaterial von Walter Ohlson (1960).
Von Attila Albert

Am erstaunlichsten ist wohl, dass diese Art der Mitgliederwerbung einmal funktioniert hat: Jesus rettet einen Ertrinkenden, während die Steintafeln mit den Zehn Geboten am Horizont erscheinen – wie eine Sonne der Moral. Auftragskunst von Sekten und Geheimorganisationen zeigt das Centre Dürrenmatt in Neuenburg NE bis 7. Dezember. Sie stammen aus einer einzigartigen Privatsammlung, die der US-Künstler Jim Shaw (62) zusammengetragen hat.

Das Geheimnis der ewigen Jugend

Auf grell-bunten Gemälden zeigen christliche Splittergruppen der 50er und 60er, wie sie sich die Errettung der Seelen vorstellen: Gott lässt seine Krone wie ein Ufo am Himmel schweben, sein Licht schiesst gleich Laserstrahlen herab. Die längst vergessene US-Prophetin «Miss Velma» (Velma Jaggers) stellt sich auf billigen Flyern vor: «Die mächtigste Frau der Welt!» Gott habe sie auserwählt, das Geheimnis der ewigen Jugend zu verkünden. Sie starb 2004, immerhin 85 Jahre alt.

«Es ist eine der radikalsten Ausstellungen, die ich bisher kuratiert habe», sagt Marc-Olivier Wahler (50), der sie zusammenstellte. Grund: Sie erklärt, kommentiert, verurteilt nichts, stellt nur nebeneinander – der Besucher soll selbst denken. Eine Fotoserie der Mormonen illustriert das richtige Leben. Gut: Brav frisierte (und seltsam homoerotische) Jungen helfen einander bei Hausaufgaben. Schlecht: Beat-Musik hören, randalieren und den Mädchen zu nahe kommen.

Viele Ideen kommen aus Comics & Science Fiction

Eine Broschüre des amerikanischen Autors Richard Shaver (1907–1975) warnt vor einer Roboter-Zivilisation, die sich die Menschen untertan machen wolle. Scientology-Gründer L. Ron Hubbard (1911–1986) sieht Alien-Aktivitäten als Ursache aller denkbaren Probleme. Daneben ausgestellte Comics, SciFi-Romane und populäre Wissensmagazine zeigen die Wurzeln in den 50ern: Technik-Begeisterung und die Entdeckung des Weltalls (1957 flog der erste Satellit) traf auf den ewigen Wunsch der Menschheit, nicht ganz allein zu sein auf der Erde.

Wer mit den grossen Religionen vergleichen will, kann das vor Ort tun. Bilder von Friedrich Dürrenmatt (1921–1990), den viele nur als Schriftsteller kennen, und dem Zuger Maler Jean-Frédéric Schnyder (69) zeigen christliche Symbolik, oft absichtlich naiv: Fliegende Sterne über Jesus, unnatürlich bunte Landschaften wie in einem Trance-Zustand, Wesen wie aus einer anderen Welt.

Die bizarre Reise ins Spirituelle hat am Ende ein Ziel: Überlegen, was für einen selbst «normal» ist.

Die Ausstellung «The Hidden World» ist Mittwoch bis Sonntag, 11 bis 17 Uhr, geöffnet. www.cdn.ch

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