Fit oder fett: Naldrexon
Günstiger, aber ohne Zulassung

Wer sich zu sehr auf die Medizin-Industrie verlässt, riskiert, eine billigere und bessere Therapie zu verpassen.
Publiziert: 28.02.2014 um 15:07 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2018 um 21:07 Uhr

Um es vorweg zu nehmen: Mit diesem Artikel soll niemand dazu ermuntert werden, sich mit Naldrexon zu kurieren. Wer dies tun will, muss sich selber kundig machen und dazu reicht dieser Text nicht. Wir erzählen hier die Geschichte dieses Medikaments nur, weil sie typisch ist für Grenzen und Probleme der modernen Gesundheitsindustrie.

Naldrexon wurde 1984 für die Behandlung von Suchtproblemen zugelassen. Es ist ein typisches Produkt der Medizinindustrie: Es gibt ein Symptom – die Sucht. Man finde ein Ziel-Molekül, das dabei eine wichtige Rolle spielt – die Endorphine. Dann ent­wickelt man einen Wirkstoff –  das Medikament – der das Zielmolekül ausschaltet. In unserem Fall Naldrexon.

50 Gramm täglich reichen, um die Endorphine rund um die Uhr stillzulegen. Auch typisch: Die Ausschaltung eines natürlichen Proteins hat ihren Preis. Der regelmässige Gebrauch von Naldrexon führt zu schweren Depressionen.

Gegen Aids und Multiple Sklerose

Die frühen 80er-Jahre waren der Beginn der Aids-Epidemie, die vor allem Suchtkranke betraf. Dr. Bernhard Bihari leitete damals in New York eine Klinik für Alkohol- und Drogensucht und experimentierte mit Naldrexon. Er entdeckte, dass eine tägliche Dosis von fünf Milligramm, Aids zum Stillstand brachte. Er beobachtete eine Verdoppelung oder Verdreifachung der körpereigenen Endorphin-Produktion, was wiederum das Immunsystem stärkte.

In der Folge wendeten Bihari und befreundete Ärzte das niedrig dosierte Naldrexon (Low Dose Naldrexon, kurz LDN) mit Erfolg auch gegen andere Krankheiten an, die durch eine Störung des Immunsystems verursacht oder begünstigt werden. Unter anderen gegen Multiple Sklerose (MS), die Lou-Gehrig-Krankheit oder rheumatische Arthritis.

Kaum von Ärzten verschrieben

LDN ist kein Universalmittel. Selbst seine Anhänger geben zu, dass es – je nach Quelle – in 15 bis 30 Prozent der Fälle keinerlei Wirkung zeigt. Doch selbst eine Erfolgsquote von 50 Prozent wäre besser als die der zugelassenen MS-Medikamente, die bloss den Verlauf der Krankheit verlangsamen und erhebliche Nebenwirkungen haben. Bei LDN sollen sich diese auf milde Schlafstörungen beschränken. Dennoch ist LDN für keine der erwähnten Indikationen offiziell zugelassen worden, und es wird auch kaum je von Ärzten verschrieben.

Der Grund dafür liegt in der Ökonomie des Medizin-Betriebs: Auch die Zulassung eines bereits bekannten Wirkstoffes für einen neuen Zweck kostet schnell einmal einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Für ein Mittel, dessen Patent längst abgelaufen ist, lohnt sich das nie und nimmer. Dazu kommt, dass die Pharma-Multis für alle Krankheiten, gegen die LDN Linderung verspricht, bereits sehr einträgliche Medikamente auf dem Markt haben. Die führenden Medikamente gegen Multiple Sklerose kosten in der Schweiz pro Jahr zwischen 18 000 und 28 000 Franken allein für die Spritzen. Dazu kommen die Behandlungskosten. LDN-Pillen oder -Tropfen hingegen kosten bloss etwa einen Franken pro Tag. Wer möchte schon Millionen ausgeben, bloss, um sich das eigene Geschäft kaputt zu machen?

Entscheidend ist die Nahrung

Die Ärzte dürften zwar LDN verschreiben, doch vor allem Fachärzte sind voll damit beschäftigt, sich an Kongressen, durch Fachliteratur oder Arztbesucher über die neuesten Entwicklungen bei den offiziell zugelassenen Medikamenten informieren zu lassen. Zudem sind sie meist im oben beschriebenen Symptom-Zielmolekül-Wirkstoff-Denken gefangen. Therapien, die unspezifisch über die Stärkung des Immunsystems wirken, sind ihnen fremd oder gar suspekt, denn dafür braucht es die Spezialisten gar nicht, das kann der Hausarzt besser.

Doch braucht man unbedingt LDN, um sein Immunsystem zu stimulieren? Keineswegs. Die US-Medizinprofessorin Terry Wahls zum Beispiel hat ihre eigene MS-Krankheit im Wesentlichen durch eine strenge, vitalstoffreiche Diät überwunden. Innert 12 Monaten wechselte sie vom Rollstuhl aufs Velo, ist heute praktisch symptomfrei und tourt auf Vortragsreisen um die Welt. Sie hat zwar LDN auch ausprobiert, aber wieder abgesetzt: Ihr Immunsystem brauchte keinen zusätzlichen Anschub mehr. «Entscheidend ist die Nahrung», sagt sie.

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