Darum gehts
Es spielt in fast allen Bereichen unseres Körpers eine Rolle, aber wir können es selbst nicht herstellen: Vitamin B12, auch Cobalamin genannt, ist essenziell. Da es praktisch nur in tierischen Nahrungsmitteln enthalten ist, müssen Veganer und Vegetarierinnen besonders aufpassen, dass sie keinen Mangel entwickeln. Sie sind aber nicht die einzigen Risikogruppen. Im Alter oder bei hohem Alkoholkonsum ist ein B12-Mangel zum Beispiel ebenfalls verbreitet, was im schlimmsten Fall zu Nervenschäden führen kann.
Die Sana Kliniken AG, eine private Klinikgruppe in Deutschland, wies Ende April in einem Bericht zudem darauf hin, dass ein Vitamin-B12-Mangel das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen kann. Musst du dir deshalb Sorgen machen? Wir haben einen Neurologen und eine Ernährungsexpertin befragt.
Schlaganfallrisiko bei B12-Mangel
Der Zusammenhang zwischen einem Vitamin-B12-Mangel und einem erhöhten Schlaganfallrisiko besteht darin, dass der Homocysteinspiegel ansteigen kann, wenn der Körper zu wenig B12 hat. Homocystein ist eine Aminosäure, die bei hoher Konzentration zu Gefässverengungen und -verkalkungen führt. Dadurch kann das Risiko für Herzerkrankungen wie einen Schlaganfall steigen. Eine grosse chinesische Studie von 2024 deutet unter anderem auf dieses Problem hin.
«Fachleute sind sich uneinig, ob man die Ergebnisse dieser Studie auf eine breite Bevölkerungsgruppe übertragen kann», sagt Nils Peters, Facharzt für Neurologie an der Klinik für Neurologie Hirslanden in Zürich. Ein Grund dafür seien die unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten der Menschen. «Bei Schlaganfällen spielt Vitamin B12 insgesamt eine eher untergeordnete Rolle.» Dem Experten zufolge geht es in erster Linie darum, die bekannten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – wie Bluthochdruck, Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen – zu erkennen und zu behandeln. Ebenfalls wichtige Faktoren zur Prävention seien eine ausgewogene Ernährung («mediterran»), regelmässige körperliche Aktivität, Vermeidung von Übergewicht und Nikotinverzicht.
Warnzeichen eines Mangels
Erwachsene speichern rund 2500 Milligramm Vitamin B12 in der Leber. «Nimmt man über längere Zeit zu wenig B12 auf, reichen die Reserven etwa ein bis drei Jahre aus», sagt Andrea Stähli, Therapieexpertin Ernährung Intensivmedizin APD an der Klinik Hirslanden in Zürich. Danach könne sich ein Mangel bemerkbar machen. Dieser zeigt sich oft durch unspezifische Symptome wie Müdigkeit, eine entzündete oder gerötete Zunge sowie Kribbeln oder Gefühlsstörungen in Händen oder Füssen. Die Expertin empfiehlt, beim Verdacht auf einen B12-Mangel ärztlichen Rat einzuholen.
Unterschiedliche Formen von B12
Vitamin B12 existiert in verschiedenen Formen. In Nahrungsergänzungsmitteln sind meist Cyanocobalamin oder Methylcobalamin enthalten. Methylcobalamin wird häufig als besonders wirksam beworben, da es bereits in aktiver Form vorliegt und daher angeblich besser vom Körper verwertet werden kann. Stähli sagt: «Es spielt absolut keine Rolle, ob Präparate auf Cyanocobalamin oder Methylcobalamin basieren, beide haben die gleiche Wirkung.» Denn Cobalamin werde im Darm immer ohne Moleküle, sozusagen als «nacktes B12» in die Darmzellen aufgenommen. Erst danach erhalte es wieder ein Molekül und gelange so via Blut zu den Zielzellen. «Der Vorteil von Cyanocobalamin ist, dass es eine hohe Stabilität gegenüber Sauerstoff, Wärme und Licht hat und nur wenige Wechselwirkungen mit anderen Mikronährstoffen aufweist.»
Risikofaktoren
«Der Aufnahmeprozess von B12 ist sehr komplex», sagt Stähli. Damit das Vitamin aus der Nahrung über den Darm in den Körper gelangen kann, müssen Magen, Bauspeicheldrüse und Dünndarm normal funktionieren. Wenn auch nur eines dieser Organe in seiner Funktion eingeschränkt ist, kann die Aufnahme erschwert oder gestört sein. Zum Beispiel, wenn im Magen nicht mehr genügend Schleimhaut vorhanden ist, wo ein Schlüssel für die B12 Aufnahme gebildet wird.
Folgende Faktoren erhöhen das Risiko für einen B12-Mangel:
- vegane und vegetarische Ernährung ohne die Verwendung von angereicherten Produkten mit Vitamin B12, sowie eine glutenfreie Ernährung
- übermässiger Alkoholkonsum oder Alkoholabhängigkeit
- Entfernungen von Magen, Bauchspeicheldrüse oder eines Dünndarmabschnitts namens Ileum (auch bei Teilentfernungen dieser Organe kann ein Mangel entstehen)
- bestimmte Operationen bei Übergewicht
- Alter (Menschen ab etwa 50 oder 60 nehmen B12 schlechter auf)
- Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Schilddrüsenerkrankungen
- Fischbandwurm, bakterieller Befall im Magen
- chronisch entzündliche Darmerkrankungen