Darum gehts
- Zürcher Forscher entdeckt Hormon Amylin für neue Abnehmspritzen
- Amylin reguliert den Appetit und ist besser verträglich
- Neue Medikamente erfordern bald nur noch eine monatliche Anwendung
Nicht nur Menschen kämpfen mit zu vielen Kilos – auch Katzen. Dank ihnen hat der Zürcher Veterinärphysiologe Thomas Lutz (61) das Hormon Amylin für seine Forschung entdeckt, das jetzt von den Pharma-Multis zu Gold gemacht wird. Es ist der Wirkstoff, mit dem die nächste Generation von Abnehmspritzen bald auf den Markt kommt.
Was verbindet dicke Katzen und übergewichtige Menschen? «Die Ursache für Übergewicht bei Haustieren ist die gleiche wie bei uns Menschen: zu üppige Ernährung kombiniert mit zu wenig Bewegung», sagt Lutz. Allerdings entwickeln nur Katzen einen Typ-2-Diabetes, der dem des Menschen ähnelt – und das macht sie so interessant für die Forschung. Bereits in den 1990er-Jahren, während seiner Doktorarbeit in Queensland (Australien), stiess Lutz auf Amylin und dessen Wirkung auf Gewicht und Stoffwechsel. Heute betreibt der Professor an der Vetsuisse-Fakultät das weltweit einzige Labor, das intensiv zu diesem Hormon forscht und mit seinen Erkenntnissen jetzt den Weg für die klinische Anwendung neuer Medikamente ebnet.
Amylin reguliert den Appetit
Viele der grundlegenden Erkenntnisse stammen aus dem Labor der Universität Zürich. «Insbesondere was die zentrale Wirkung im Gehirn betrifft – also wie Amylin das Essverhalten beeinflusst», erklärt Lutz. Amylin wird in der Bauchspeicheldrüse produziert und steuert zahlreiche Stoffwechselprozesse. Es kann bei Katzen – und auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes – zu Ablagerungen in der Bauchspeicheldrüse führen, die insulinproduzierende Zellen zerstören. Aber Amylin ist nicht nur negativ: Es beeinflusst den Zucker- und Kohlenhydratstoffwechsel, reguliert den Appetit und sorgt dafür, dass man sich schneller satt fühlt.
Dieser Effekt ist schon länger bekannt und wird auch bereits therapeutisch genutzt: Ein erstes Medikament kam 2005 auf den Markt. «Der Gewichtseffekt war damals allerdings eher bescheiden», so der Experte. Die Firma brachte auch den ersten GLP-1-Agonisten auf den Markt. Dieser ahmt das körpereigene Hormon GLP-1 nach, um das Hungergefühl zu regulieren, und steckt heute in vielen Abnehmspritzen. Der grosse Unterschied zu den modernen Wirkstoffen: «Die Wirkung war relativ kurz, und das Medikament musste dreimal täglich zu jeder Mahlzeit injiziert werden.»
Bessere Verträglichkeit, weniger Muskelschwund
Die Moleküle, die aktuell für die neue Generation von Diabetes- und Adipositas-Medikamenten entwickelt werden, sind so verändert, dass sie viel seltener appliziert werden müssen – meist nur einmal pro Woche, bald womöglich sogar nur noch einmal im Monat. «Man kann davon ausgehen, dass die neuen Medikamente im nächsten Jahr auf den Markt kommen», so Lutz. Der Vorteil, den man sich davon erhofft: bessere Verträglichkeit und stärkerer Gewichtsverlust. «Neben Übelkeit ist eine unerwünschte Nebenwirkung der Abnehmspritzen Muskelabbau. Studien haben gezeigt, dass dieser mit den Amylin-basierten Wirkstoffen deutlich geringer ist.» Ein weiterer Unterschied ist die Art der Wirkung: Der Sättigungseffekt tritt früher ein. «Man verliert also nicht den Appetit oder die Lust aufs Essen, sondern fühlt sich schneller satt», erklärt Lutz. So können behandelte Patientinnen und Patienten weiterhin an gemeinsamen Mahlzeiten und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen – was sich auch positiv auf die Psyche auswirkt.
Firmen wie Novo Nordisk, Roche zusammen mit der dänischen Biotechfirma Zealand Pharma oder auch der US-Konzern Eli Lilly haben Amylin-Produktkandidaten in der Pipeline. Verdient Thomas Lutz an dem Erfolg seiner Forschung mit? Er schüttelt den Kopf: «Wir betreiben Grundlagenforschung. Patentiert werden die Moleküle, die bei den Pharmafirmen entwickelt werden. Diese führen auch die klinischen Studien durch.» Seine Motivation sei es, die grösseren Zusammenhänge unseres Organismus zu erforschen. Aber natürlich freut er sich über den Erfolg: «Es ist schön, zu sehen, dass unsere Erkenntnisse nach so vielen Jahren Arbeit eine breite klinische Anwendung finden.»