«Handpoke macht uns Sorgen»
Tattoos und Piercings: Zwischen Trend und Gefahr

Körperschmuck ist Ausdruck von Identität und Rebellion. Sandy Jaspers, eine der bekanntesten Piercerinnen und Tätowiererinnen der Schweiz, kennt Trends und Risiken. Sie weiss, wie Eltern mit Teenagern über Körperkult reden sollten – und warnt vor sogenanntem Handpoke.
Publiziert: 01.09.2025 um 13:38 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2025 um 14:28 Uhr
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Junge Erwachsene setzen heute auf viele kleine und feine Tattoos.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire

Darum gehts

  • Warum viele Studios mit Dumpingpreisen locken
  • Wie man Jugendliche am besten aufklärt
  • Wann ein seriöses Studio Nein zu einem Tattoo sagt
  • Warum der sogenannte Handpoke gefährlich ist
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Maja ZivadinovicFreie Journalistin Service-Team

Ein Herzli am Handgelenk, ein Nasenring, der dezent funkelt – für viele junge Menschen gehören Tattoos und Piercings zum Erwachsenwerden. Was für die einen Ausdruck von Freiheit und Individualität ist, wirft bei anderen, besonders bei Eltern, Fragen auf: Ab wann darf man das eigentlich? Ist es sicher? Und was, wenn man es später bereut?

Piercerin Sandy Jaspers (36), die mit ihrem Mann, dem Tätowierer Helge (46), das Studio True Body Art führt, kennt die Antworten. Und warnt vor allem vor einem Trend. 

Blick: Was sind zurzeit angesagte Tattoos bei jungen Erwachsenen?
Sandy Jaspers:
Im Moment trenden viele kleine Tattoos mit feinen Linien. Aktuell stechen wir weniger grossflächige farbige Motive. Tribals hingegen feiern ein Comeback. Im Gegensatz zu früher sind diese aber nicht mehr ausgefüllt, vielmehr stechen wir heute nur die sogenannten Outlines. 

Und welche Piercings sind bei den Jungen angesagt?
Alles rund um die Ohren. Da stechen wir viele schöne Piercings. Mit hochwertigem Schmuck lassen sich Ohren sehr schön und edel inszenieren.

Lassen sich junge Erwachsene im Gegensatz zu früher mehr oder weniger tätowieren und piercen?
Ich würde nicht sagen, dass es weniger oft der Fall ist. Aber sie haben tatsächlich keine Lust mehr, voll damit zu sein. Die Jungen wollen heute lieber kleine, feine Tattoos. Und es gibt viele jungen Menschen, die keine Tattoos und Piercings wollen. Anderseits suchen uns Kunden auf, die sich erst im fortgeschrittenen Alter piercen oder tätowieren lassen wollen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die crazy Zeiten, in denen junge Erwachsene grad nach dem 18. Geburtstag ins Studio rennen, vorbei sind.

Wie kläre ich mein Kind über Risiken beim Piercen und Tätowieren auf?
Generell finde ich es schwierig, wenn Eltern aufklären. Was wir bei uns im Studio sehr gerne machen und anbieten, sind unverbindliche Beratungsgespräche für Eltern und ihre Kinder. Hier schaffen wir den Rahmen, dass sowohl Eltern ihre Bedenken äussern und Kinder ihre Fragen stellen dürfen. Wir erklären und klären dabei ganz neutral beide Parteien auf. Findet das Gespräch zu Hause statt, ist es oft so, dass das Kind nur positive Aspekte nennt, während Eltern nur Negatives äussern. Hier können wir uns gut einschalten und Eltern Ängste nehmen sowie jungen Erwachsenen Punkte bestätigen, bei denen Eltern nicht im Unrecht sind und die es zu beachten und zu wissen gibt.

Was müssen denn Jugendliche unbedingt über Piercings und Tattoos wissen?
Wir beobachten, dass Junge, die Tattoos und/oder Piercings wollen, relativ gut aufgeklärt sind. Was uns mehr Sorgen macht, ist die sogenannte Handpoke-Generation, die sich gegenseitig daheim mit einer einfachen Nadel und Tinte sticht oder ganz billige Maschinen im Internet bestellt und das megalustig findet. Der Spass hört aber schnell auf, wenn sich die Tattoos entzünden oder wenn man als gestandener Erwachsener immer noch mit Amateur-Sujets durchs Leben gehen muss. Ich verstehe, dass man im jungen Alter vieles ausprobieren will, aber gerade bei Tattoos, die ein Leben lang halten, kann das problematisch sein.

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Hast du Erfahrung mit Handpoke? Dann schreib uns via community@blick.ch oder direkt in den Kommentaren mehr darüber!

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Was tust du, wenn Junge mit einer Tattoo-Idee kommen, bei der du das Gefühl hast, dass das irgendwann bereut wird?
Unabhängig vom Alter: Wenn wir dieses Gefühl haben, lehnen wir das Stechen ab. Das kann aus verschiedenen Gründen der Fall sein. Wenn ein Grüppli kommt, das ein Freundschaftstattoo will und ich bei einer Partei merke, dass die eigentlich nicht will und nur wegen des Gruppenzwangs hier ist, stechen wir nicht. 

Gibt es Motive, die du grundsätzlich nicht stichst?
Ja, ganz viele. Dazu gehören politisch radikale Motive, egal ob links oder rechts. Ganz schwierig finde ich auch Partnertattoos. Wir mussten erst gerade einem ganz jungen Mädchen ein Tattoo überstechen, weil es ein anderes Studio für eine gute Idee hielt, ihr riesig den Namen ihres nun Ex-Freundes zu tätowieren. Wir finden: Das macht man einfach nicht.

Hältst du es für sinnvoll, dass man sich mit 18 ohne Einwilligung der Eltern tätowieren und piercen lassen darf?
Ja und nein. Wir haben immer wieder mit Erwachsenen zu tun, die weit über 20 sind und überhaupt nicht darauf hören, was ich ihnen erkläre. Die kommen aus einer Laune heraus zu uns und wollen unüberlegt irgendwas. Dann wiederum kommen 14-, 15-jährige Mädchen gemeinsam mit den Eltern. Sie sind meist sehr gut aufgeklärt und pflegen ihre Piercings mit bestem Wissen und Gewissen. Da habe ich absolut keine Bedenken und pierce sie gerne.

Was sind mögliche Komplikationen nach dem Tätowieren oder Piercen?
Wie bei jedem Eingriff am Körper kann es zu Entzündungen kommen. Vor allem bei mangelnder oder falscher Nachpflege, weil man nicht darauf hört, was wir im Studio erklären. Schwierig ist auch, wenn man in ein unprofessionelles Studio geht, das sich nicht an Hygienevorschriften hält. Generell lässt sich sagen: Die Wahl des Studios spielt eine elementare Rolle, gefolgt von der Nachpflege. Und unbedingt Finger weg vom Selber-Piercen und -Tätowieren, da kann wirklich sehr viel schiefgehen.

Was sind die körperlichen Voraussetzungen, wenn man sich von euch stechen lassen möchte?
Bei uns im Studio piercen und tätowieren wir niemanden, der in den letzten 24 Stunden Alkohol, Drogen oder starke Medikamente zu sich genommen hat. Der Körper ist dann mit dem Abbau der Substanzen beschäftigt. Wer verkatert ist, hat zu dünnes Blut. 

Worauf sollen junge Erwachsene bei der Auswahl des Studios achten?
Preisdumping ist zurzeit ein grosses Thema. Viele Studios ohne Erfahrung bieten Tattoos und Piercings zu niedrigsten Preisen an. Viele denken, so ein bisschen trashig sei doch cool. Das ist es aber ganz sicher nicht. Mangelnde Hygiene ist keine Option, und schlecht gestochene Tattoos und Piercings sind nie cool. Wichtig ist, dass man schaut: Ist es ein richtiges Studio? Ist es angemeldet? Kenne ich jemanden, der sich hier schon erfolgreich und professionell hat piercen oder tätowieren lassen? Und Achtung bei dubiosen Anbietern, die bei sich daheim irgendwo in der Ecke des Wohnzimmers stechen!

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