Oberste Schweizer Kinderärztin über Impfschäden
«Mir ist kein einziger Fall bekannt»

Impfungen gehörten zu den wichtigsten Errungenschaften der medizinischen Forschung, sagt die oberste Kinderärztin Heidi Zinggeler Fuhrer (50).
Publiziert: 06.05.2017 um 12:38 Uhr
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Aktualisiert: 17.05.2019 um 14:59 Uhr
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Kinderärztin Zinggeler will keinen Impfzwang. Doch Eltern, die auf eine Impfung verzichten, sollen die Konsequenzen genau kennen.
Foto: ZVG
Interview: Romina Lenzlinger

BLICK: Frau Zinggeler Fuhrer, Sie haben drei Kinder. Sind sie geimpft?
Heidi Zinggeler Fuhrer:
Meine Kinder sind geimpft. Es gibt keinen besseren Schutz gegen schwerwiegende, potenziell tödliche Erkrankungen. Was nicht heisst, dass auch ein ungeimpftes Kind mit grosser Wahrscheinlichkeit ein gesundes Leben führen kann. Doch dessen Eltern nehmen die Gefahr einer schweren Erkrankung, einer lebenslangen Behinderung oder gar den Tod in Kauf.

Trotzdem verzichten Eltern darauf, ihre Kinder zu impfen.
In der Schweiz gibt es keinen Impfzwang. Wollen Eltern ihre Kinder nicht impfen, so ist das ihr Recht. Aber sie müssen mit den Konsequenzen leben.

Kritiker schüren Angst und warnen vor schlimmen Impfschäden.
Mir ist kein einziger Fall bekannt. Impfungen wären längst verschwunden, wäre ihr Nutzen nicht so überwältigend.

Impfen Ärzte heute zu freizügig?
Immer mehr Krankheiten lassen sich durch Impfungen verhindern. Sie schützen nicht nur gegen Infektionskrankheiten, sondern auch gegen Krebs. Und im Sinne der Prophylaxe ist es das Ziel der Forschung, immer bessere Vorbeugungsmassnahmen zur Verfügung zu haben. Neue Impfungen sind ein Erfolg, verbessern die Gesundheit der Bevölkerung und erhöhen die durchschnittliche Lebenserwartung. Zum Glück gibt es immer wieder neue und bessere Impfstoffe.

Trotzdem: Ist der Impfwahn ausgebrochen? Oder warum müssen sich beispielsweise neu nicht nur Kinder, sondern  auch Schwangere gegen Keuchhusten impfen lassen?
Der beste Schutz für das Neugeborene ist die Impfung seiner Mutter noch während der Schwangerschaft, da dadurch Antikörper gegen Keuchhusten übertragen werden und es so geschützt ist. Zudem sollten alle Personen, welche Säuglinge betreuen, gegen Keuchhusten geimpft werden, damit sie die Krankheit nicht übertragen können.

Impfgegner halten Impfungen während der Schwangerschaft für besonders gefährlich.
Die empfohlenen Impfungen sind sicher. Den Gesundheitsbehörden eine absichtliche Gefährdung des Kindes vorzuwerfen, kommt einer Verschwörungstheorie sehr nahe.

Was passiert, wenn ein ungeimpftes Baby Keuchhusten bekommt?
Es kann sterben. Keuchhusten ist in den ersten sechs Lebensmonaten am gefährlichsten, da er nicht einfach als solcher erkennbar ist. Im Gegensatz zu später imponiert er in diesem Alter nicht durch den typischen, salvenartigen nächtlichen Husten, sondern durch periodische Atmung und schwierig zu unterscheidende Atempausen. Das Kind vergisst schlicht zu atmen und wird tot im Bett aufgefunden.

Impfungen spülen den Ärzten Geld in die Kasse. Empfehlen sie diese daher vermehrt?
Das sind haltlose Vorwürfe der Gegner. Ich würde nie im Leben eine Impfung oder ein Medikament aus finanziellen Gründen verordnen. Vielmehr bin froh, wenn ich überhaupt keine Medikamente einsetzen muss. Unser Interesse ist es, die Kinder gesund aufwachsen zu sehen und ihnen unnötiges Leid zu ersparen.

Also keine Geldmacherei der Pharmamultis.
Impfungen sind die wichtigsten, einfachsten und sichersten Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Darum wird in diesem Bereich auch viel geforscht. Dass die Hersteller mit ihren Produkten Geld verdienen wollen, darf man ihnen nicht zum Vorwurf machen. Zudem werden die Preise der Impfstoffe vom Staat reguliert, die Hersteller sind in der Preisgestaltung nicht frei.

Trotzdem ist die Pharmalobby stark. Bekommen Sie Rabatte?
Rabatte gibt es. Von Gesetzes wegen sind wir aber verpflichtet, sie an unsere Patienten weiterzugeben. Weltweit gibt es zudem nur wenige Impfstoffhersteller, die Konkurrenz ist klein, der Unterschied zwischen verschiedenen Impfstoffen minim. Die Impfstoffindustrie gewinnt ihre Kunden weniger durch Marketing als durch Innovation, also durch neue, bessere Impfstoffe.

Stichwort Kinderlähmung. Warum impfen wir weiter, wenn die Krankheit fast ausgerottet ist?
Sie tritt auch in Europa immer wieder auf, nämlich bei der ungeimpften Bevölkerung. Die Erreger werden durch Reisende oder ungeimpfte Migranten eingeschleppt. Solange die Krankheit nicht weltweit ausgerottet ist, müssen auch wir weiterhin impfen, nicht zuletzt um die definitive Ausrottung der Polio zu ermöglichen.

Die Impfgegner gewinnen an Terrain. Wie erklären Sie ihren Erfolg?
Sie sind nur lauter. Tatsächlich steigt die Anzahl Geimpfter fortlaufend an. Die Impfgegner profitieren vom Erfolg der Impfungen. Viele Krankheiten sind gerade wegen der Impfungen aus unserem Alltag verschwunden. Dies führt zu falscher Sicherheit und zur Vorstellung, dass im Falle einer Komplikation unser hervorragendes Gesundheitssystem immer noch die Heilung ermöglichen könne.

Das muss Sie als Ärztin doch ärgern.
Ich bin seit 20 Jahren Kinderärztin und habe miterleben können, wie zum Beispiel die lebensgefährliche Kehlkopfdeckelentzündung dank der Impfung verschwunden ist. Impfgegner hat es immer gegeben, ihre Argumente sind nicht besser geworden.

Wie sind sie zu stoppen?
Durch objektive Information der Bevölkerung. In vielen Ländern gibt es ein Impfobligatorium, was wir in der Schweiz umgehen möchten. 

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Haben Sie Fragen zum Impfen? Daniel Koch, Leiter für übertragbare Krankheiten des Bundesamts für Gesundheit, beantwortet die wichtigsten Fragen rund ums Thema.

Beantwortet Fragen: Daniel Koch.
Beantwortet Fragen: Daniel Koch.

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