Sind Turner seriöser geworden?
«Früher bauten wir mehr Festzelte auf»

Nach mehr als 70 Jahre findet das Eidgenössische Turnfest in Lausanne statt. Jérôme Hübscher vom Schweizerischen Turnverband (STV) über Lounges statt Partyzelte am ETF, Sicherheitskonzepte und den Boom im Turnsport.
Publiziert: 15.06.2025 um 15:19 Uhr
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Der Turnsport gilt bei den Jungen als cool.
Foto: Philippe Rossier

Darum gehts

  • Turnsport boomt bei jungen Menschen. Viele Faktoren machen Turnerei cool
  • Turnvereine leisten wichtigen gesellschaftlichen Beitrag und sind lokal gut vernetzt
  • 300'000 Zuschauer erwartet, 150 Sicherheitsszenarien für das Eidgenössische Turnfest vorbereitet
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Pascal ScheiberReporter

Blick: Der Turnsport boomt bei jungen Menschen. Woran liegt das?
Jérôme Hübscher: Im Vergleich zu vor 15-20 Jahren ist der Turnsport nicht mehr verstaubt. Viele Faktoren führten dazu, dass die Turnerei heute cool und lässig ist. Gewisse TV-Formate wie Ninja Warrior dürften ihren Teil dazu beitragen. Wir spüren seit Corona in verschiedenen Disziplinen einen enormen Zulauf an Mitgliedern bei unseren Turnvereinen. Gewisse führen sogar Wartelisten. Im Geräteturnen sind die Grundformen eine Kombination aus Bewegung, Rhythmus, Kraft und Balance – eine gute Basis für alle Sportarten. Diesen Mix schätzen immer mehr junge Menschen.

Welchen gesellschaftlichen Wert hat der Breitensport aus Ihrer Sicht?
Wir zählen heute 2650 Turnvereine – mehr als es Gemeinden in der Schweiz gibt. Das zeigt: Vereine geniessen eine hohe Beliebtheit. Sie sind lokal gut vernetzt und leisten einen wichtigen Teil in der Gesellschaft. Viele Menschen wollen nicht alleine im Fitness Sport machen, sondern gemeinsam mit Familie und Freunden.

Das Feiern ist an einem Turnfest nicht irrelevant. Was erwarten die Sportler?
Die Partys dürfen selbstverständlich auch in Lausanne nicht fehlen. Es gibt verschiedene Lokalitäten mit lokalen Künstlern. Ich kann versichern: Es wird niemandem langweilig. Ich stelle aber fest, dass die Turnerinnen und Turner ihre Leistung höher priorisieren als noch vor Jahren. Die Übungen und Choreografien sind komplexer und anspruchsvoller. An früheren ETFs bauten wir mehr Festzelte auf. Heute wollen die Besucher auch Lounges und gemütliche Orte zum Entspannen.

300’000 Zuschauer erwarten Sie in Lausanne. Welche Herausforderung bringt das mit sich?
Für alle eine Unterkunft und Essen bereitzustellen, ist eine Herkulesaufgabe. Obwohl Turnfeste sehr sicher sind, haben wir mit den lokalen Behörden ein umfassendes Sicherheitskonzept mit 150 verschiedenen Szenarien erstellt und geprobt. Auch der Verkehr ist in einer Grossstadt wie Lausanne eine Herausforderung.

In den letzten Jahren war der Turnsport von Skandalen erschüttert: Die Magglingen-Protokolle, Fälle von Missbrauch und Übergriffe kamen an die Öffentlichkeit. Welchen Einfluss hat das auf diesen Grossanlass?
Was im Spitzensport geschehen ist, darf sich nicht wiederholen. Der Schutz und die Integrität aller Beteiligten müssen im Zentrum stehen – im Spitzen- wie im Breitensport. Gerade bei Grossanlässen wie dem ETF ist Prävention zentral. Das OK hat ein umfassendes Konzept erarbeitet; der STV setzt zudem mit einer eigenen Sensibilisierungskampagne ein klares Zeichen.

Jérome Hübscher (50) präsidiert das Komitee des Eidg. Turnfest 2025 für den Schweizerischen Turnverbandes (STV). Seit 19 Jahren arbeitet Hübscher beim STV, heute als Chef der Abteilung Sportförderung. 

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