Schreibwettbewerb:
Joachim Schmidt gewinnt 15 000 Franken!

Er hat mit seinem Text zum Thema Sehnsucht über 3500 Mitbewerber hinter sich gelassen. Lesen sie ihn hier exklusiv!
Publiziert: 24.03.2010 um 14:53 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 23:13 Uhr
Von Gerhard Schriebl

Ich schreibe schon recht lange, recht erfolglos», sagte Joachim Schmidt (28) gestern Abend strahlend auf der Bühne des Kino Razzia im Zürcher Seefeld.

Das wird sich nun ändern! Joachim Schmidt hat sich mit seiner Kurzgeschichte «Stoffel wartet» (siehe unten) gegen fast 3500 andere Autoren im Wettbewerb «Grosse Sehnsucht Schreiben» durchgesetzt.

Blick am Abend-Chefredaktor Peter Röthlisberger und «Thalia»-Geschäftsführer Michele Bomio überreichten ihm nach dem Finale der zwölf besten Autoren den ersten Preis, der mit 15 000 Franken dotiert war. Preisverleiher «Thalia» freute sich mit den Gewinnern. «Der Wettbewerb war extrem erfrischend», sagt Michele Bomio.
«Grosse Geschichten fangen immer mit kleinen Schriften an.» Auch Blick am Abend war begeistert ob den Tausenden Zuschriften und der Stimmung am Anlass. «Wenn jemand von euch mal nichts zu tun hat, ruft mich an», scherzte Peter Röthlisberger zu den Finalisten.

Den zweiten und dritten Platz, die mit 10 000 und 5000 Franken dotiert waren, belegten Marina Khader mit ihrer Kurzgeschichte «Pausenlos» und Marc Schwitter mit «Der ewige Herbert». Aber auch die anderen Finalisten profitieren vom Schreibwettbewerb.

Die besten Kurzgeschichten verlegt Thalia in einem Sammelband, der im ganzen deutschsprachigen Raum erscheinen wird. Der Gewinner von «Grosse Sehnsucht Schreiben», Joachim Schmidt, ist bereits wieder zurück in seiner Wahlheimat Island, wo er sich nun ganz dem Schreiben widmen wird.

«Die ersten Seiten meines Romans habe ich bereits geschrieben», sagt Schmidt. Über die Handlung will er noch nicht allzu viel verraten. Nur so viel: «Die Geschichte spielt in Island.»

Die Gewinnergeschichte:
Stoffel wartet

Elvis müsste eigentlich längst tot sein!, hört man Stoffel, den alten Bauern vom Jakobstobel, oft sagen. Elvis, eine Mischung aus Border Collie und irgendetwas anderem, sitzt neben Stoffel und blinzelt mal hinunter auf die ruhige Strasse, mal hoch zu ihm. Stoffel hat den Hund schon seit fast zehn Jahren.

Er tätschelt ihm mit seinen schwieligen Händen den Kopf und sagt: So, brav. Seit seiner Geburt lebt Bauer Stoffel auf diesem Hof. Nur einmal war er fort gewesen, in jungen Jahren, als ihn die Armee aufbot und im Thurgau stationierte.

Doch Stoffel sehnte sich so sehr nach dem Jakobstobel, dass er keinen Bissen mehr hinunterbrachte, bis er schliesslich krank wurde und der Feldarzt sagte: Schickt den Buben heim, mit dem Stoffel gewinnt man keinen Krieg. Seither steht Stoffel Abend für Abend nach dem Melken vor der Stalltüre und schaut über den Miststock hinweg zwischen den Talflanken hindurch aufs Flachland hinunter – als wartete er auf etwas.Manchmal fragt er sich, ob seine Doris noch da wäre, wenn er mit ihr ins Welsche gezogen wäre, wie sie es sich manchmal gewünscht hatte.

Er fragt sich, ob sein Sohn wieder mit ihm reden würde, wenn er ihm mal schreiben würde. Doch darüber spricht Stoffel nicht, nicht einmal mit seinen drei Töchtern, die ihn samt Ehemännern und Kindern abwechslungsweise besuchen. Viel lieber erzählt er ihnen, dass Elvis längst tot sein müsste.

Der Hund habe vorher dem Feuz gehört, dem Schafbauern, doch Elvis habe als Treibhund wenig getaugt, habe die Schafe – nicht ohne Eifer – einzeln in alle möglichen Himmelsrichtungen getrieben. Stoffel zupft sich am Bart und lächelt still: Kommt der Feuz auf seinem Aebi, sagt Stoffel, du hast doch einen Karabiner, der Hund muss weg, also gehe ich mit, aber ich sag dem Feuz, schiessen tu ich den Köter nicht, hab schon im Militär nicht gerne geschossen, und der Hund zappelt wie närrisch, als wüsste er, was ihm blüht, und der Feuz drückt ab, Elvis jault, reisst sich los und macht sich mit eingezogenem Schwanz aus dem Staub.

Feuz sagt keinen Ton, schaut nur an sich herunter auf den Schuh, den linken, und da ist ein Loch und ein wenig Rauch und dann ganz viel Blut, und ich fahr den Feuz mit dem Aebi ins Spital, und als ich später nach Hause komme sitzt der Elvis genau hier vor der Stalltüre und wedelt freudig mit dem Schwanz.

Der Feuz sagt, als er aus dem Spital entlassen wird, ich könne den Köter gerne behalten. Elvis schnappt natürlich auch nach meinen Kühen und macht sie ganz wild, bis die Paulina einmal so richtig ausschlägt und ihn präzise an der Schläfe erwischt, und der Elvis lernt fliegen und bleibt dann eine ganze Weile im Staub liegen und seither lässt er meine Kühe in Ruhe, nur noch den Autos jagt er nach.Es ist ein Wunder, dass er noch nie unter die Räder kam, und Feuz, der seit dem Unfall ein wenig hinkt, sagte kürzlich, der Köter sei zu dumm um zu sterben, und ich glaube, der Feuz hat den Nagel präzise auf den Kopf getroffen. So erzählt Stoffel.

Emma, seine älteste Tochter, zupft ihm das Hemd zurecht und sagt: Du weisst, du kannst jederzeit bei uns wohnen, dann wärst du nicht mehr so alleine, niemand erwartet von dir, dass du bis achtzig schuftest. Doch Stoffel brummt nur – und bleibt, er hat ja Elvis, doch manchmal denkt er an seinen Sohn, der irgendwo in Spanien lebt, und er denkt: Wenn doch nur meine Doris noch hier wäre, sie wüsste, was zu tun wäre.

Und dann hört man ein Auto die Strasse hochfahren, und Elvis wird ganz nervös, winselt und täppelt, und Stoffel lächelt und sagt: Geh schon. Schnapp dir die Blechbüchse! Und Elvis flitzt hinunter zur Strasse, hält sich einen Moment geduckt im Strassengraben bis das Auto auf gleicher Höhe ist, dann attackiert er es am rechten Vorderrad, das Auto bremst abrupt und macht einen gefährlichen Schlenker. Stoffels Herz setzt für einen Schlag aus, als er das spanische Nummernschild erkennt.

Ein Bündner in Island
Der Gewinner des Schreibwettbewerbs «Grosse Sehnsucht Schreiben», Joachim Schmidt, wohnt und lebt seit vier Jahren in Island.

Der Bündner Hochbauzeichner arbeitet in Reykjavik in einer Molkerei und schreibt als freier Journalist Artikel über seine Wahlheimat. Mit dem Preisgeld will der 28-Jährige nun ein Buch schreiben: «15 000 Franken reichen heute in Island, um ein Jahr leben zu können.»

Die Inspiration zu seiner Geschichte «Stoffel wartet» fand er in einer Begegnung mit einem isländischen Bauern. Ob das Vorbild seines Protagonisten, der Hund Elvis, noch lebt, weiss Schmidt nicht – nur, dass in Island Elvis Snarti hiess.
Der Gewinner des Schreibwettbewerbs «Grosse Sehnsucht Schreiben», Joachim Schmidt, wohnt und lebt seit vier Jahren in Island.

Der Bündner Hochbauzeichner arbeitet in Reykjavik in einer Molkerei und schreibt als freier Journalist Artikel über seine Wahlheimat. Mit dem Preisgeld will der 28-Jährige nun ein Buch schreiben: «15 000 Franken reichen heute in Island, um ein Jahr leben zu können.»

Die Inspiration zu seiner Geschichte «Stoffel wartet» fand er in einer Begegnung mit einem isländischen Bauern. Ob das Vorbild seines Protagonisten, der Hund Elvis, noch lebt, weiss Schmidt nicht – nur, dass in Island Elvis Snarti hiess.
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