Darum gehts
- Der grosse E-Bike-Boom ist vorbei, die Hersteller bieten trotzdem Innovationen
- Neue E-Bikes werden wieder leichter und sind vielseitiger für Stadt und Land
- Getestete Modelle kosten zwischen 3000 und 6500 Franken
Die Pandemie ist nur noch ein weit entfernter Fiebertraum. Während sich der Grossteil der Wirtschaft mit Schrecken an die Zeit zurückerinnert, dürften die meisten E-Bike-Hersteller Corona nachtrauern: Nie zuvor verkaufte die Branche so viele Modelle wie in den Jahren 2020 bis 2022.
Doch der Boom ist vorbei. Und die Verkaufszahlen haben sich auch in der Schweiz wieder aufs Vor-Corona-Niveau eingependelt. Doch das heisst nicht, dass die Hersteller trotz teils immer noch voller Händlerlager keine Innovationen zu bieten hätten. Die Modelle werden nicht nur immer leichter, sondern auch vielseitiger. Blick hat vier aktuelle E-Bikes für Stadt und Land unter die Räder genommen.
Kalkhoff Entice L Season
Ein perfektes Beispiel für die neue Vielseitigkeit ist das Entice L Season des deutschen Herstellers Kalkhoff, das wie das Cube und das Winora von E-Bike-Spezialist M-Way zur Verfügung gestellt wurde. Bei diesem Modell handelt es sich um ein sogenanntes Light-SUV-E-Bike – ein schlanker Alleskönner, der auch für Touren abseits der Stadtgrenzen gemacht ist. Das unterstreicht das Entice mit seinem robusten Look samt Offroad-Bereifung und vorderer Federgabel. Während rutschige Schotterpisten oder steile Bordsteine so kein Problem darstellen, dürfte Boschs neuer Einstiegsmotor SX für Tester Lorenzo Fulvi noch etwas kräftiger sein: «Vor allem bergauf wird es selbst auf höchster Unterstützungsstufe sehr anstrengend. Ansonsten fährt sich das Kalkhoff unspektakulär gut, schaltet sanft und bietet ausreichend Komfort.»
Praktisch findet Fulvi zudem den fix installierten Gepäckträger und den herausnehmbaren 400-Wh-Akku, der je nach Unterstützung bis zu 80 Kilometer Reichweite bereitstellen sollte. Einziger echter Minuspunkt: das fehlende Display. Für Daten wie Tempo und Reichweite muss das Smartphone via App verbunden werden. «Allerdings ist das Kalkhoff mit rund 3000 Franken auch das günstigste Bike im Test – für mich ein fairer Deal», so Fulvis Fazit.
Cube Kathmandu Hybrid C.62 SLX 400X
Mit exakt 1000 Franken mehr schlägt das neue Kathmandu Hybrid des deutschen Herstellers Cube zu Buche. Dank schlichtem Design und Karbonrahmen kommt das Citybike auf ein äusserst tiefes Leergewicht von nur 17,2 Kilo. Entsprechend handlich fährt sich das Kathmandu, wie Tester Raoul Schwinnen nach der Tour in Zürich-Altstetten urteilt: «Der kleine Boschmotor reicht für meinen Geschmack völlig aus, die E-Unterstützung ist harmonisch und an Steigungen wie hier Richtung Triemlispital kräftig genug.» An steileren Passagen helfe ausserdem die grosse Spreizung der 12-Gang-Kettenschaltung.
Als Minuspunkt zählt Schwinnen allerdings die fehlende Federung an der Vordergabel auf, die bei den zahlreichen Randsteinen und Temposchwellen auf Zürcher Strassen auch für ein Citybike von Vorteil wäre. Begeistert ist der Tester dafür vom grossen Farbdisplay, das sich selbst bei Sonnenschein prima ablesen lässt. «Praktisch finde ich, dass jeweils auch die verbleibende Restreichweite in den unterschiedlichen Fahrmodi von Eco bis Turbo ausgewiesen wird.» Trotz der wertigen Verarbeitungsqualität liegt der Preis von 4000 Franken für Schwinnen an der oberen Grenze: «Das Cube ist ein prima Citybike, aber aufgrund des fehlenden Komforts würde ich nicht so viel dafür ausgeben wollen», so sein Fazit.
Simplon Silk 365 eLight
Nicht nur preislich eine Schippe drauf legt das Silk 365 eLight des österreichischen Herstellers Simplon. Das einzige Modell im Test mit hohem Einstieg wird dank der weiter nach vorne gebeugten Sitzposition auch zum sportlichsten: «Zuerst sieht man gar nicht, dass das Simplon ein E-Bike ist – sehr elegant und schlank. Und genauso fährt es sich auch, zügig um Kurven fahren macht echt Spass», so das erste Urteil von Tester Juan Thomas (23). Die Unterstützung des äusserst leisen TQ-Motors setzt dezent und sanft ein, nur an Steigungen fehlt es dem Antrieb an Power: «Am Berg muss man ordentlich strampeln, um zügig hochzukommen.» Ausserdem kritisiert Thomas die relativ schwachen Bremsen des Test-Bikes. «Das Cube etwa packt deutlich kräftiger zu.»
Ebenfalls nicht optimal: das im Rahmen verbaute Display, das während der Fahrt nur umständlich ablesbar und zu bedienen ist. Auch hier schafft ein mit der App verbundenes Smartphone Abhilfe. Dafür punktet das Simplon an anderer Stelle mit Komfort: Neben der Federgabel verfügt das Bike über eine per Hebel am Lenker absenkbare Sattelstütze, was etwa beim Absteigen an Ampeln bequem ist. Schade: Wie beim Cube kann auch beim Simplon der Akku nicht aus dem schlanken Rahmen entnommen werden – immerhin ist Treppensteigen bei nur 18,8 Kilo problemlos möglich. Thomas' Fazit: «Ein sehr modernes und sportliches E-Bike, aber mit 5700 Franken auch nicht ganz günstig.»
Winora Sinus AS
Da der schlanke Gleiter von Simplon, dort der massive Alleskönner im SUV-Bike-Gewand von Winora. Rein technisch ist das Sinus AS definitiv das spannendste Bike im Test, denn es verfügt über die 2024 neu vorgestellte Motor-Getriebe-Einheit MGU des deutschen Getriebespezialisten Pinion. Das Besondere: Motor und Getriebe sind geschützt (und somit wartungsarm) in einem Gehäuse untergebracht, Gangwechsel werden automatisch getätigt und die Kraft des E-Motors über einen Karbonriemen auf das Hinterrad übertragen. Im ersten Test kämpft das System noch mit Kinderkrankheiten: «Im Automatikmodus schaltet das Getriebe viel zu schnell in hohe Gänge, da muss noch nachjustiert werden. Manuell sind die Gangwechsel zwar gut hörbar, aber sehr schnell und präzise», resümiert Tester Andreas Engel (40).
Top: Die 85 Nm des Mittelmotors setzen reibungslos, aber dennoch kraftvoll ein: «Auch an Steigungen zieht das Sinus toll an, trotz des hohen Gewichts. Man fühlt sich wie in einem sportlichen SUV – einfach auf zwei Rädern.» Damit der herausnehmbare Akku nicht permanent an der Steckdose hängt, verfügt er über eine Kapazität von 800 Wh, die bei gemächlicher Gangart für bis zu 140 Kilometer Reichweite sorgen. Auch sonst bietet das Winora viele Annehmlichkeiten: vom Zusatzgepäckträger vorne über Taschenhalter hinten bis zur absenkbaren Sattelstütze. Auch das Bedienen der zahlreichen Knöpfe und Funktionen am grossen Mitteldisplay klappt nach anfänglicher Verwirrung bestens. Einziger Minuspunkt neben der eher klobigen Optik: der Preis. Denn der ist mit 6500 Franken zum Modell passend High-End.