Tesla-Mitarbeiter arbeiten weniger pro verkauftem Auto als ihre Kollegen bei traditionellen Autoherstellern. Sie sind im Durchschnitt fünf Stunden weniger mit Administration, Auto-Erklärung, den nötigen Verkäufer-Trainings oder schlicht dem Handling von Autos beschäftigt als ihre Kollegen bei etablierten Marken. Das senkt laut der Unternehmensberatung Accenture die Personalkosten im Vertrieb um den Faktor 1,6.
Accenture rechnet damit, dass das Tesla-Modell Schule machen wird. Für viele Hersteller sind Elektroautos eher Zuschussgeschäft denn Goldesel. Also müssen die Kosten runter. Und weil knappe Komponenten wie Batterien sich im Preis nicht drücken lassen, schauen die Auto-CEOs dabei vor allem auf Vertrieb und den sogenannten Aftersales. «Rund 30 Prozent der Kosten, die wir an einem Auto haben, entfallen auf diesen Bereich», sagt zum Beispiel Stellantis-CEO Carlos Tavares (64). Also auf den Verkaufsvorgang und das Geschäft, das sich nach dem Autoverkauf noch mit dem Kunden machen lässt: Service, Zubehör oder Nachrüstung von Funktionen.
Tesla als Vorreiter
Die Vorreiterrolle für neue Vertriebsmodelle hat einmal mehr Tesla. Der Elektropionier setzt komplett auf Direktverkauf und verzichtet auf klassische Garagisten. Accenture hat sich das Prinzip genauer angeschaut: Solch ein Direktvertrieb klappt nur, wenn die Kundschaft die Initiative ergreift. Bei Tesla geht der erste Kontakt stets von Interessenten aus; Registrierung und das Buchen einer Probefahrt erledigt der Käufer online selbst. Das nötige Webportal hat Tesla inzwischen so einfach wie möglich gestaltet – und die Austattungsoptionen reduziert. Weniger Auswahlkomplexität vereinfacht den Verkaufsprozess. Das Prinzip setzt sich auch bei anderen Herstellern zunehmend durch, denn so reduziert man Variantenvielfalt und Produktionskosten.
Die Fakten geben Tesla recht: Einer von drei vielversprechenden Kundenkontakten führt zum Verkauf. Vom Erstkontakt bis zur Fahrzeugübergabe dauerts im Schnitt bei Tesla 1,2, bei traditionellen Herstellern 2,9 Stunden. Und weil der Prozess komplett digitalisiert ist, genügen für den Vertragsabschluss fünf Minuten. Auch Newcomer wie Nio oder Hyundais Nobelmarke Genesis gehen längst den unmittelbaren Weg zum Kunden. Smart setzt bei seinem Neustart unter jetzt chinesischer Regie völlig auf den Online-Absatz. Der Vertrag wird nicht mehr zwischen Kundschaft und Garagist, sondern direkt mit dem Werk abgeschlossen. Damit bleiben die Kundendaten beim Hersteller und wird das Auto zum Fixpreis verkauft, statt mit vom Händler gewährtem Rabatt – mit einer Webseite kann man nicht verhandeln. Auch traditionell mit Händlernetz aufgestellte Marken dürften daher bald in deutlich grösserem Masse als bisher online verkaufen.
Weniger Wartung, weniger Erlöse
Im Bereich Aftersales ist der Kostendruck gar noch höher. Elektroautos brauchen seltener und weniger Serviceleistungen – zum Beispiel verschleissen dank der elektrischen Rekuperation die mechanischen Bremsen deutlich langsamer. Und ein Elektroantrieb verfügt über 99 Prozent weniger bewegliche Teile, die der Wartung bedürfen. Aktuell bezahlen Kunden mit Elektroautos laut Accenture im Europa-Schnitt nur 265 Franken pro Jahr für Inspektionen oder unvorhergesehene Reparaturen. Diese Summe müsste sich fast verdoppeln auf 500 Franken, damit das Geschäftsmodell funktioniert. Zum Vergleich: Bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor legen Kundinnen knapp 590 Franken pro Jahr hin.
Wohin die Reise gehen könnte, zeigt das Elektro-Pionierland Norwegen. Dank staatlicher Förderung ist der Stromer-Anteil bei den Neuwagenverkäufen deutlich höher als in der ebenfalls recht elektroaffinen Schweiz. Rund 60 Prozent der Hersteller-Gewinne sind in Norwegen gefährdet, weil sich bei Elektroautos im Aftersales weniger Geld verdienen lässt: «Mit Gegenmassnahmen könnten die Hersteller jedoch den Grossteil dieser Verluste auffangen und sie auf nur zehn Prozent begrenzen. Hersteller und Händler müssen jetzt gegensteuern, um zukünftigen Erfolg sicherzustellen», sagt Accenture-Analyst Axel Schmidt.
Sitzheizung gegen Gebühr
Eine Möglichkeit zum Ausbau des Aftersales sind Zusatzoptionen, die sich per drahtlosem Update aufs Auto spielen lassen – so wie beim Smartphone oder Fernseher. Weil die Hardware für solche Funktionen in jedem Auto schon eingebaut ist, wird die Produktion effizienter dank weniger Varianten: Funktionen werden nicht nachgerüstet, sondern nur in der Software aktiviert. In Norwegen bietet BMW zum Beispiel die Sitzheizung als Option noch nach dem Autokauf an. Die Heizdrähte stecken schon unter den Polstern, aber freigeschaltet werden sie erst nach Zahlung einer monatlichen Gebühr von rund 17 Franken. Brauchts im Sommer keine Sitzheizung, bestellt man sie einfach ab. Man könnte natürlich auch ihre unbegrenzte Nutzung ordern – für rund 370 Franken.
Die Digitalisierung bei Vertrieb und Aftersales hat aber nicht nur Vorteile. Denn das traditionelle Erlebnis des Autokaufs bleibt dabei weitgehend auf der Strecke. Für viele Kunden ist die Anschaffung eines Autos neben dem Hauskauf die grösste Investition ihres Lebens. Dies nur mit ein paar Mausklicks zu tätigen, könnte ein mulmiges Gefühl hinterlassen. Und: Elektroautos unterscheiden sich bei Bedienung und Funktionalität deutlich von Verbrenner-Fahrzeugen. Im Kaufprozess muss also mehr erklärt und auch ausprobiert werden, damit sich eine Kundin guten Gewissens für einen Stromer entscheiden kann. Weil der Anteil der Neueinsteiger in die E-Mobilität noch steigen wird, werden auch mehr Kunden solche Beratung nachfragen: Accenture rechnet für 2025 mit 16 Prozent Elektroanteil unter den europäischen Neuwagen-Verkäufen; bis 2030 dürften es über 50 Prozent sein.
Gerade Digitalisierungsskeptikern dürften dann fünf Minuten für den Auto-Kaufprozess als etwas kurz erscheinen. Doch wer sein Leben heute schon komplett per Smartphone organisiert, dürfte damit keine Probleme haben. Und bald werden diese Kundinnen in der Überzahl sein.