Wieso kostet ein Bentley mindestens 212'500 Franken? Ein Rundgang durch die Bentley-Fabrik oder besser -Manufaktur in Crewe (UK) machts klar. Während es bei anderen Autoherstellern in der Produktion von Robotern wimmelt, fertigen hier 3700 Mitarbeiter gerade einmal 55 Autos pro Tag! 5 Stück des fast komplett in aufwendiger Handarbeit gebauten Flaggschiffs Mulsanne sowie 50 Continental GT oder Flying Spur. Bald werden es aber mehr sein, wenn die Briten 2016 ihren SUV auf den Markt bringen.
Produktmanagementdirektor Paul Jones verrät: «Der SUV wird über Allrad, ZF-Getriebe sowie Torsion-Differential mit 40:60-Split verfügen und auch als Plug-in-Hybrid angeboten.» Mehr Details gibts nicht, dafür erläutert Jones: «Bis 2018 wollen wir 15'000 Fahrzeug verkaufen. Das sind fast 50 Prozent mehr als heute. Vom SUV sollten wir 3500 bis 4500 Stück verkaufen können. Zudem weiten wir mit den V8-S-Modellen unsere Produktlinie aus.»
Apropos Ausweiten. Neben Gerüchten zu Cabrio- und Coupé-Versionen des Mulsanne soll Bentley gar eine fünfte Produkte-Linie erhalten. «Ja, dieser Entscheid fiel vor einer Woche. Wir wissen, wo Lücken im Luxus-Markt sind. Die sind jedoch regional unterschiedlich und einige passen nicht zur Marke», gibt Jones zu bedenken, «aber schon vor dreieinhalb Jahren beim OK für den SUV sahen wir nicht nur eine Lücke im Markt.»
Spannend, aber keine Überraschung, denn der Hunger nach Luxuskarossen wächst. Nach den Millionären aus den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) wollen nun aufstrebende Unternehmer aus den Mint-Staaten (Mexiko, Indonesien, Nigeria und Türkei) ans Steuer eines Modells aus Crewe.
Und ihre Sonderwünsche werden in den unscheinbaren Backsteinhallen, wenn immer möglich, erfüllt: Vom Farbwunsch für den GT, der einem mitgebrachten Küchenmixer entsprechen muss, bis zum Mulsanne, dessen Lackierung in Apfelgrün der Verpackung einer Lieblingsschokolade aus dem Oman gleichen soll, ist alles möglich.
Solche Liebe zum Detail erklärt vielleicht auch, wieso es 500 Mannstunden braucht, um einen Mulsanne zu fertigen. Nur schon für die Holzintarsien aus besonders kontrastreichem, wunderbar maseriertem Vogelaugenahorn, Tamo-Esche oder Sapeli-Mahagoni, ist der Aufwand gigantisch. Rund fünf Quadratmeter Holz sind pro Auto nötig. Dieses wird drei Wochen angefeuchtet, damit biegbar gemacht, auf die Interieurteile geklebt und dann während 15 Tagen (!) geschliffen und poliert.
Auch beim Leder darfs nur vom Feinsten sein. Zudem arbeiten bei Bentley echte Chauvinisten, denn Kuhleder geht gar nicht – viel zu elastisch! Bullenleder muss es sein und zwar von Weiden ohne Stacheldraht, aus Regionen mit wenig Mücken, sonst hätte es zu viele Schäden in den Lederstücken. Satte 11 Bullen brauchts für einen GT, 13 bis 14 für einen Flying Spur und gar 15 bis 16 fürs Flaggschiff Mulsanne.
Das edle Leder fürs Interieur wird logischerweise von Hand verarbeitet. Nur das Bentley-Logo auf den Sitzen kommt von einer Maschine, welche die 5103 Stiche dafür innert sechs Minuten präzise genug anbringt, der Rest wird von Hand genäht. Auch die optionalen Kreuzstichziernähte: Für Lenkrad und Sitze sind 37 Stunden nötig, sprich eine ganzen Arbeitswoche!
Ein gigantischer Aufwand. Daher tut ein bisschen Pragmatik gut: Weil der 200'000 Franken teure Näh-Roboter weder die Lenkräder genau genug näht, noch die Löcher ideal vorstanzt, nehmen die Bentley-Mitarbeiter als Schablone eine normale Gabel (Kosten wohl knapp 3 Franken) zur Hilfe – aussergewöhnlich, wie die gesamte Bentley-Produktion in Crewe.