In einer kleinen Gemeinde im Süden Frankreichs verschwindet eine junge Mutter mitten in der Nacht – scheinbar spurlos. Schon bald vermuten die Ermittler ein Verbrechen. Doch weder ein Geständnis noch eine Leiche bringen Gewissheit.
Fast fünf Jahre später beginnt nun in Albi der Prozess: Auf der Anklagebank sitzt der Ehemann, Cédric Jubillar. Ihm wird vorgeworfen, seine Partnerin Delphine vorsätzlich getötet zu haben. Er bestreitet, die Tat begangen zu haben.
«Hallo, ich weiss nicht, wo meine Frau ist»
Es ist die Nacht vom 15. auf den 16. Dezember 2020, als die damals 33-jährige Krankenschwester spurlos verschwindet. Um 4.09 Uhr morgens meldet ihr Ehemann sie bei der Gendarmerie als vermisst. «Hallo, ich weiss nicht, wo meine Frau ist», zitiert «Le Monde» aus dem Telefonat. Die Beamten am anderen Ende der Leitung wollen wissen, ob es Streit gegeben habe. «Nein, nein», entgegnet der Mann. «Wir sind gerade dabei, uns scheiden zu lassen. Das ist eine Sache. Aber sonst läuft es gut.»
Vierzig Minuten später erreichen zwei Beamte der Gendarmerie das Haus der Jubillars. Sie treffen nur auf den Ehemann – von Delphine Jubillar keine Spur.
Suche läuft schnell auf Hochtouren
Zu diesem Zeitpunkt steckt das Paar mitten in der Scheidung. Gemeinsam haben sie einen sechsjährigen Sohn und eine anderthalbjährige Tochter. Wie Medien später berichten, träumt Delphine Jubillar von einem Neuanfang mit ihrem heimlichen Liebhaber.
Schnell läuft die Suche nach der jungen Frau auf Hochtouren. Ausser ihrem Handy und den Kleidern, die sie trägt, fehlt jedoch nichts. Polizisten durchkämmen das 2500-Einwohner-Dorf Cagnac-les-Mines. Sie gehen von einem Haus zum nächsten.
Freiwillige und Spürhunde durchstreifen die Umgebung. Helikopter und Drohnen überfliegen die Wälder. Taucher gehen ins Wasser – sogar ein Teich wird ausgepumpt. Doch von der Krankenschwester fehlt jede Spur.
«Dieser Fall hat mich berührt»
Der Fall hat bis heute viele Menschen aus der Region und auch darüber hinaus mobilisiert. «Mir wurde klar, dass ich sie schon drei- oder viermal gesehen hatte», sagte ein Mann dem Sender BFMTV. «Ich komme aus Albi und war damals regelmässig beruflich in Cagnac-les-Mines.»
Er habe etwas tun müssen. Also beteiligte er sich an der Suche nach Delphine Jubillar. «Dieser Fall hat mich berührt, diese Mutter, die plötzlich verschwand und ihre Kinder zurückliess.»
In der Region ist die Betroffenheit gross. «Delphine könnte eine Schwester sein, eine Cousine, jeder fühlt sich berührt», so der Mann gegenüber BFMTV weiter. «Mit der Zeit fühlte es sich ein bisschen so an, als würde ich sie kennen.»
Verdächtige Indizien
Ein halbes Jahr nach dem Verschwinden gerät der Ehemann zunehmend ins Visier der Ermittler: Gegen ihn wird ein Ermittlungsverfahren wegen Tötung eingeleitet. Medien berichten von Widersprüchen in seinen Schilderungen zum Abend des Verschwindens. Zwei Nachbarinnen sagten demnach, in jener Nacht die Schreie einer Frau gehört zu haben. Die Brille der Vermissten ist stark beschädigt, ihr Auto ist am Morgen andersherum parkiert als üblich und noch am Abend zuvor, heisst es.
Bekannte berichten ausserdem von angeblichen Drohungen des Noch-Ehemanns. Die Mutter des Mannes soll laut Le Parisien wiedergegeben haben: «Ich werde sie töten, ich werde sie begraben und niemand wird sie finden.» France Info meldet, Cédric Jubillar habe solche Äusserungen vor den Ermittlern als «leere Worte» abgetan.
Widersprüchliche Aussagen
Der heute 38-Jährige hat seine Unschuld stets beteuert. Seine Verteidiger werfen den Ermittlern vor, sich von Anfang an nur auf eine Spur fixiert zu haben. Seit Jahren bleibe ihr Mandant bei derselben Aussage, betonte Anwältin Emmanuelle Franck im Sender LCI. Sie zitierte ihn mit den Worten: «Vielleicht war ich kein perfekter Ehemann, vielleicht auch kein perfekter Vater. Perfekt bin ich gewiss nicht. Aber eines ist sicher: Ich bin kein Mörder.»
Ein ehemaliger Mitgefangener sowie eine frühere Freundin des Beschuldigten wollen unterdessen gehört haben, dass er den Mord an seiner Frau eingestanden habe. Vor Gericht droht ihm nun eine lebenslange Haftstrafe.