Traurige Ursache
Warum in Mexiko bekleidete Schweine begraben werden

Hunderttausende Menschen werden in ganz Mexiko vermisst. Die Angehörigen leiden. Nun soll eine unkonventionelle Methode helfen, die Vermissten zu finden.
Publiziert: 02.08.2025 um 13:17 Uhr
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In diese Gräber werden die Schweine gelegt.
Foto: keystone-sda.ch

Darum gehts

  • Mexiko nutzt tote Schweine zur Suche nach Vermissten
  • Forscher beobachten Verwesungsprozess mit modernster Technologie und Drohnen
  • Über 130'000 Menschen in Mexiko gelten als vermisst
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

In Mexiko werden ungewöhnliche Methoden angewandt, um das Schicksal Tausender Vermisster aufzuklären. Konkret: Wissenschaftler nutzen tote Schweine als Stellvertreter für verschollene Menschen und versuchen so, ihre Suchtechniken zu optimieren, wie «NBC News» berichtet. Die wichtigsten Fragen im Überblick. 

Was passiert mit den toten Schweinen?

Die Forscher kleiden die Schweinekadaver zunächst ein, wickeln sie in Plastik oder Decken und bestatten sie einzeln oder in Gruppen. Anschliessend beobachten sie den Verwesungsprozess mithilfe modernster Technologie. Ziel ist es, Hinweise zu finden, die zur Entdeckung zumindest einiger der über 130'000 in Mexiko vermissten Personen führen könnten. Diese Zahl übersteigt die jedes anderen lateinamerikanischen Landes bei weitem.

Warum wurde das Projekt gegründet?

Die Vereinten Nationen sprechen von Anzeichen für «systematische» Verschleppungen in Mexiko. Meist sind es die Angehörigen selbst, die auf eigene Faust nach ihren Liebsten suchen müssen. Das Forschungsprojekt, das 2023 gestartet wurde, ist eine Zusammenarbeit mehrerer Universitäten und der Suchkommission des Bundesstaates Jalisco.

Hier werden die meisten Vermissten in Mexiko gemeldet. In der Region existiert ein grosses Drogenkartell – von dem erhebliche Gefahr ausgeht. José Luis Silván, Koordinator des Projekts, erklärt gegenüber «NBC News»: «Die Verschwundenen von Jalisco sind der Grund, warum wir hier sind.»

Welche Methoden werden noch angewandt?

Die Wissenschaftler testen satellitengestützte, geophysikalische und biologische Kartierungstechniken. Dabei kommen Drohnen mit Wärmebildkameras, Laserscanner und andere Geräte zum Einsatz. «Kein anderes Land treibt so stark und kreativ die Erprobung und Kombination neuer Techniken voran», sagt ein kanadischer Forscher. Er warnt jedoch davor, die Technologie als Allheilmittel zu betrachten. Die Forscher untersuchen auch, wie sich Pflanzen und Insekten an den Grabstellen entwickeln. «Die Mütter, die suchen, sagen, dass diese kleine gelbe Blume immer über den Gräbern blüht. Sie nutzen sie als Orientierung», berichtet Silván.

Wieso gibt es so viele Vermisste?

Die Zahl der Vermissten in Mexiko stieg drastisch an, nachdem der damalige Präsident Felipe Calderón 2006 den Krieg gegen die Drogenkartelle ausgerufen hatte. Die Zersplitterung der organisierten Kriminalität führte zu einer Vervielfachung der Gewalt. Die Kartelle lassen Menschen verschwinden, anstatt Leichen auf der Strasse zurückzulassen. Dies macht es schwieriger, Opfer der Kartelle zu finden. 

Was macht die Regierung?

Die Komplizenschaft oder Untätigkeit der Behörden begünstigt dieses Vorgehen. Mexikanische Regierungen waren teilweise nicht willens, das Problem anzuerkennen, oder von seinem Ausmass überfordert. Die Erfahrungen der suchenden Angehörigen fliessen in die Forschung ein. Manche beobachteten, dass Gräber oft unter Bäumen mit vertikal wachsenden Wurzeln angelegt werden, damit die Täter im Schatten arbeiten können. Eingeladene Mütter konnten die meisten unmarkierten Schweinegräber allein aufgrund der Pflanzen und Bodenbeschaffenheit identifizieren.

Wie äussern sich Angehörige?

Maribel Cedeño, die seit vier Jahren nach ihrem vermissten Bruder sucht, glaubt an den Nutzen der neuen Technologien: «Ich hätte mir nie vorgestellt, in dieser Situation zu sein und eine Expertin zu werden.» Héctor Flores, der seinen Sohn seit 2021 sucht, hinterfragt hingegen den Aufwand für Methoden, die bisher zu keinen konkreten Entdeckungen geführt haben. Er verweist auf die Erfolge der Familien, dies trotz geringer offizieller Unterstützung. Obwohl die Forschung noch nicht abgeschlossen ist, setzt die Suchkommission von Jalisco bereits einige der neuen Technologien ein. Es bleibt jedoch unklar, ob Behörden in ganz Mexiko willens oder in der Lage sein werden, diese hochentwickelten Hilfsmittel zu nutzen. Forensiker Derek Congram betont: «Man muss es immer wieder versuchen, scheitern und weiter versuchen.» 

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