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Regierung gestürzt:Hier wird das Ergebnis bekanntgegeben

Krise verschärft
Frankreichs Regierung stürzt bei Vertrauensfrage

Frankreichs Regierung steckt in der Krise. Der französische Premier Bayrou hat am Montag die Vertrauensfrage gestellt – und verloren. Was passiert nun als Nächstes? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zur kriselnden politischen Situation im Nachbarland.
Publiziert: 08.09.2025 um 11:40 Uhr
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Aktualisiert: 14:39 Uhr
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Frankreichs Premierminister François Bayrou scheiterte mit der Vertrauensfrage.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS

Der französische Regierungschef François Bayrou (74) hat am Montag in einer Sondersitzung der Nationalversammlung die Vertrauensfrage gestellt. Diese hat er nun verloren. 364 Abgeordnete stimmten gegen die Regierung, nur 194 Abgeordnete sprachen ihr das Vertrauen aus. Die Oppositionsparteien hatten zuvor bereits angekündigt, ihm das Vertrauen zu verweigern.

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Der Regierungschef hat kurz vor seinem erwarteten Sturz noch einmal mit dramatischen Worten für seinen Sparhaushalt geworben. «Sie haben die Macht, die Regierung zu stürzen, aber Sie haben nicht die Macht, die Realität auszulöschen», sagte Bayrou am Montag zu den Abgeordneten.

«Das Überleben des Landes steht auf dem Spiel», sagte Bayrou in einer Regierungserklärung vor einer Sondersitzung der Nationalversammlung. «Ein Land, das nicht in der Lage ist, seine öffentlichen Finanzen auszugleichen, ist ein Land, das sich selbst aufgibt», fügte er hinzu.

Macron muss neuen Premierminister ernennen

Macron sieht sich nun im Zugzwang, schnellstmöglich einen neuen Premier zu präsentieren, um nicht selbst zu sehr unter Druck zu geraten. Mit Bayrou scheitert bereits zum zweiten Mal innerhalb eines guten Jahres ein Premier an dieser vertrackten politischen Gemengelage. Für die Ernennung gibt es keine Frist.

Bis dahin bleibt die vorige Regierung «geschäftsführend» im Amt. Das bedeutet, dass sie sich weiter um laufende Angelegenheiten kümmert. Neue Gesetzesvorhaben oder Entscheidungen, die die künftige Regierung betreffen würden, sind jedoch nicht möglich – die politischen Geschäfte sind also gelähmt.

Schwierige Machtverhältnisse

Traditionell ernennt der Präsident einen Regierungschef aus dem grössten Lager der Nationalversammlung. Dies ist derzeit das linksgrüne Wahlbündnis. Macron hatte dies bislang jedoch verweigert. 

Obwohl das linksgrüne Lager derzeit lautstark einen nächsten Regierungschef aus den eigenen Reihen fordert, gilt dies als eher unwahrscheinlich. Weder Macrons Mitte-Lager, noch das Linksbündnis oder Marine Le Pens Rechtsnationale haben eine eigene Mehrheit im Unterhaus. Stattdessen sind unter anderem Justizminister Gérald Darmanin (42), Finanzminister Eric Lombard (67) und Verteidigungsminister Sébastien Lecornu (39) im Gespräch. Auch Arbeitsministerin Catherine Vautrin (65) wird genannt.

Der neue Premierminister stellt üblicherweise innerhalb weniger Tage eine neue Regierungsmannschaft vor.

Neuwahlen

Macron schliesst bislang aus, Neuwahlen auszurufen. Dies hatte er zuletzt überraschend getan, als bei der Europawahl in Frankreich die Rechtspopulisten gewonnen hatten. Bei der Neuwahl 2024 verlor das Regierungslager dann seine Mehrheit im Parlament. Seitdem ist die Nationalversammlung in drei miteinander verfeindete Blöcke gespalten: die Rechtspopulisten, das linksgrüne Lager und das Regierungslager.

Umfragen zufolge dürften sich die Mehrheitsverhältnisse bei möglichen Neuwahlen derzeit nicht wesentlich ändern.

Rücktritt des Präsidenten

Laut einer Umfrage befürworten knapp zwei Drittel vorgezogene Präsidentschaftswahlen. Macron betont jedoch regelmässig, dass er sein Mandat bis 2027 ausführen werde. Der Druck auf den Staatschef dürfte mit dem Sturz der Regierung erneut zunehmen.

Die linkspopulistische Partei La France Insoumise will ein Amtsenthebungsverfahren gegen Macron anstrengen, das jedoch wenig Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtsnationalen drängen ebenfalls auf Wahlen - entweder durch die Auflösung der Nationalversammlung oder einen Rücktritt Macrons.

Präsidentschaftswahl 2027

Die derzeitige politische Krise ist eng mit der 2027 anstehenden Präsidentschaftswahl verknüpft, bei der Macron nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten kann.

Der als Premierminister scheidende Bayrou schliesst nicht aus, dass er antreten will, es wäre bereits sein vierter Versuch. Auch die Rechtspopulistin Marine Le Pen (57), die bereits drei Mal vergeblich angetreten ist, strebt eine Präsidentschaftskandidatur an. Derzeit ist ihr dies durch ein Gerichtsurteil untersagt, gegen das sie jedoch juristisch vorgeht.

Macron hat bislang keinem potenziellen Nachfolger den Weg geebnet. Chancen werden unter anderem den beiden Ex-Premierministern Édouard Philippe (54) und Gabriel Attal (36) eingeräumt. Im linken Lager scheint sich der frühere Präsident François Hollande (71) auf einen neuen Präsidentschaftswahlkampf einzustellen.

Proteste und Blockaden lähmen Reformen

Die häufigen Regierungswechsel in Frankreich schränken die Handlungsfähigkeit von Macron erheblich ein. Allein im vergangenen Jahr wechselte der Premierminister dreimal. Bevor Bayrou im Dezember das Amt übernahm, wurde Michel Barnier (74) im September Premier – und davor Gabriel Attal im Januar.

Frankreich ist politisch gespalten, die Parteienlandschaft ist zersplittert. Bayrous Regierung hat ausserdem keine Mehrheit im Parlament – und damit so gut wie keinen Handlungsspielraum. Blockaden und Proteste lähmen Reformen und erschweren die Haushaltspolitik. Für den 10. September sind bereits Proteste gegen Bayrous Sparpläne angekündigt.

Schulden wachsen und wachsen

Bayrou hatte mit der Vertrauensfrage ursprünglich seinen Rückhalt für seinen Sparhaushalt 2026 kräftigen wollen. Wegen der angespannten Finanzlage des Landes will er knapp 44 Milliarden Euro einsparen. Vor allem seine Idee, zu Sparzwecken zwei Feiertage zu streichen, löste in Frankreich eine heftige Debatte aus.

Seit Jahrzehnten wächst der Schuldenberg Frankreichs, unter Präsident Emmanuel Macron (47) besonders stark. Zahlen von Eurostat zeigen, dass die Schuldenquote bei 113 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) liegt. Voraussichtlich steigt sie 2025 auf 116 Prozent. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag die Schuldenquote noch bei 97 Prozent. Macrons erste Amtszeit begann 2017.

In der EU haben nur Griechenland (153 Prozent) und Italien (135,3 Prozent) eine höhere Schuldenquote. In absoluten Zahlen nimmt Frankreich sogar den unrühmlichen ersten Platz ein.

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