Darum gehts
- Rechtspopulistische ANO führt bei tschechischer Parlamentswahl, Opposition vorne
- Babis verspricht Ende der Waffenlieferungen an Ukraine und niedrigere Steuern
- Über acht Millionen Wähler entscheiden über 200 Sitze im Abgeordnetenhaus
Bei der Parlamentswahl in Tschechien ist ein Sieg der Opposition so gut wie klar. Nach Auszählung von 90 Prozent der Wahlbezirke kommt die rechtspopulistische ANO des Ex-Regierungschefs Andrej Babis (71) auf knapp 36 Prozent der Stimmen. Das Mitte-Rechts-Bündnis Spolu («Gemeinsam») des Ministerpräsidenten Petr Fiala (61) erreicht dem Teilergebnis zufolge nur 22 Prozent. Die bisher mitregierende Bürgermeisterpartei STAN liegt bei knapp 11 Prozent. Auch eine neue Autofahrerpartei («Motoristen für sich») und die ultrarechte «Freiheit und direkte Demokratie» dürften den Einzug ins Parlament schaffen, sie gelten als mögliche Koalitionspartner für Babis.
Die Stimmen werden fortlaufend ausgezählt. In der Regel liegen die Ergebnisse aus kleinen ländlichen Wahlkreisen zuerst vor, aus den Grossstädten dagegen erst später. Änderungen sind daher nicht ausgeschlossen. Mehr als acht Millionen Menschen waren aufgerufen, die 200 Sitze im Abgeordnetenhaus, der wichtigeren der beiden Parlamentskammern, neu zu besetzen.
Babis ähnelt politisch Viktor Orban
Im Wahlkampf hatte der Umfragefavorit Babis ein Ende der Waffenlieferungen seines Landes an die Ukraine angekündigt. Zudem versprach er niedrigere Steuern und günstigere Energiepreise. Die Regierungskoalition warnte dagegen vor den Bedrohungen durch Russland und kündigte eine schrittweise Erhöhung der Verteidigungsausgaben an. «Jetzt geht es um alles», lautete ihr Slogan.
Nach Ansicht von Beobachtern stand für viele der Wähler dagegen die Sorge um den eigenen Geldbeutel im Fokus. Die jährliche Inflationsrate lag zwar zuletzt bei 2,5 Prozent, hatte aber 2023 zweistellige Werte erreicht. Die ANO-Partei versprach auf Plakaten «niedrigere Steuern» und «billigere Energie». Auf EU-Ebene ist die ANO von der liberalen Fraktion Renew Europe zu den rechtspopulistischen bis rechtsextremen Patrioten für Europa gewechselt. Dort sitzt sie in einer Reihe mit der Fidesz von Viktor Orban (62) aus Ungarn, der FPÖ aus Österreich und der RN Marine Le Pens (57) aus Frankreich.
Wendet sich Tschechien jetzt vom Westen ab?
Als möglicher Königsmacher könnte in Prag die ultrarechte Freiheit und direkte Demokratie (SPD) von Tomio Okamura (53) fungieren. Die Partei fordert nicht nur die Möglichkeit eines Referendums über den Austritt aus EU und Nato, sondern auch die Rückführung der mehr als 383'000 ukrainischen Flüchtlinge in ihre Heimat. Sie kam nach dem Teilergebnis auf fast 8 Prozent der Stimmen.
Was würde eine solche Koalition für Europa bedeuten? «Die prowestliche Orientierung Tschechiens wird geschwächt», sagte der Politologe Lukas Jelinek. Als Partner bietet sich auch eine neue Autofahrerpartei an. Sie fordert ebenso wie Babis ein Ende des Green Deals der EU und ein Rückrudern beim Verbrenner-Aus ab 2035.
Wird Babis die «Storchennest»-Affäre zum Verhängnis?
Wie ein Damoklesschwert hängt jedoch die Gefahr einer Verurteilung über Babis. Im Sommer hatte ein Gericht einen Freispruch in der sogenannten «Storchennest»-Affäre aufgehoben. Dabei geht es um den mutmasslichen Missbrauch von EU-Subventionen für ein Wellnessresort. Vor einer weiteren Strafverfolgung müsste das Parlament indes erneut die Immunität aufheben.
Babis besitzt ein weit verzweigtes Imperium aus mehr als 250 Firmen. Das brachte ihm die Kritik ein, in einem permanenten Interessenkonflikt als Politiker und Unternehmer zu stehen. Bedenken in dieser Hinsicht hat auch Präsident Petr Pavel (63) angemeldet. Ob Babis seine Unternehmen wie in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 in einen Treuhandfonds stellt, liess er offen.