Darum gehts
- Britische Regierung gewährt Tausenden Afghanen Asyl wegen Datenleck
- Datenleck gefährdete fast 19’000 Afghanen, die Aufnahme in Grossbritannien erbaten. Auch Daten britischer Spione und Spezialeinheiten offen im Netz
- Kosten: umgerechnet mehr als 900 Millionen Franken
Die britische Regierung machte öffentlich, dass sie wegen einer Panne mit persönlichen Daten in den vergangenen Jahren Tausenden Afghanen Asyl gewährte. Wegen des Datenlecks aus dem Jahr 2022 seien im Rahmen eines geheimen Programms insgesamt 900 Personen, die mit den Briten in Afghanistan zusammengearbeitet hatten, aufgenommen worden, verkündete Verteidigungsminister John Healey (65) am Dienstag im britischen Unterhaus. Hinzu kamen 3600 ihrer Familienangehörigen. Ein britisches Gericht hatte zuvor verhindert, dass das Programm publik wurde.
Der Vorfall führte zu erheblicher Kritik am Umgang der britischen Regierung mit sensiblen Daten. Blick erklärt, was passiert ist – und welche Folgen das Datenleck noch haben könnte.
Was ist passiert?
Das versehentliche Bekanntwerden der sensiblen Daten war laut Healey von einem britischen Beamten verschuldet worden und hatte sich im Februar 2022 ereignet – nur sechs Monate nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Kabul. Von der Panne seien fast 19'000 Afghanen betroffen gewesen, die eine Aufnahme in Grossbritannien erbeten hatten. Neben ihren Namen wurden auch ihre Kontaktdaten öffentlich.
Dieser «ernsthafte» Fehler habe Menschenleben in Gefahr gebracht, erklärte der Verteidigungsminister. Die damalige konservative britische Regierung startete nach dem Datenleck wegen drohender Vergeltungsmassnahmen der Taliban ein Programm, um die am stärksten gefährdeten Ortskräfte aufzunehmen.
Der britische Beamte gehörte zu den britischen Spezialkräften. Er verschickte im Februar 2022 eine Tabelle mit Namen, Kontaktdaten und teilweise Familieninformationen per E-Mail an eine Adresse ausserhalb des zuständigen Regierungsteams. Die Daten gelangten anschliessend an die Öffentlichkeit. Teile davon tauchten im August 2023 auf Facebook auf, nachdem ein afghanischer Staatsbürger, dessen Antrag abgelehnt worden war, die Informationen geteilt hatte. Der Beamte ist nicht mehr in seiner damaligen Position. Die Polizei sah allerdings keine Notwendigkeit, den Fall zu untersuchen.
Was bedeutet das Datenleck für die Regierung?
Der Vorfall wird als eine der schwerwiegendsten Datenverletzungen in der modernen britischen Geschichte angesehen, nicht zuletzt wegen der hohen Kosten und des Risikos für Tausende von Menschenleben. Die Geheimhaltung des Leaks durch eine superprovisorische Verfügung, die es auch den Medien untersagte, darüber zu berichten, wurde als «beispiellos» und als Eingriff in die Meinungsfreiheit kritisiert, da sie die parlamentarische und öffentliche Kontrolle verhinderte.
Die Nachricht über das Datenleck und die daraus resultierenden Massnahmen kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die öffentlichen Finanzen Grossbritanniens angespannt sind. Gleichzeitig gewinnt die einwanderungskritische Partei Reform UK in Umfragen an Popularität.
Am Donnerstag wurde zudem bekannt, dass das Datenleck grösser war als bisher angenommen. Wie BBC und Sky News übereinstimmend berichteten, fanden sich im geleakten Datensatz auch Detailinformationen zu mehr als 100 britischen Staatsbürgern, unter ihnen Spione und Mitglieder militärischer Spezialeinheiten.
Wie geht es jetzt weiter?
Obwohl die Regierung erklärt, dass das Risiko durch das Datenleck begrenzt sei, fühlen sich die Betroffenen zutiefst verunsichert und betrogen. Anwaltskanzleien wie Leigh Day vertreten bereits Hunderte von Afghanen, die von dem Leak betroffen sind, berichtete die BBC. Die Anwälte gehen davon aus, dass aufgrund der verursachten Angst und Not «erhebliche Entschädigungsansprüche» bestehen.
Das Programm kostete laut Healey bislang rund 400 Millionen Pfund (432 Millionen Franken), bis zu seinem Abschluss sollen die Kosten auf voraussichtlich 850 Millionen Pfund (917 Millionen Franken) steigen. Die Kosten für die britischen Staatsbürger dürften in der Summe nicht enthalten sein. Neben den 4500 bereits ausgereisten Afghanen sollen weitere 600 Ortskräfte und ihre Familienangehörigen noch aufgenommen werden.