Darum gehts
- Flüchtiger Wirecard-Manager Jan Marsalek in Moskau aufgespürt, arbeitet für russischen Geheimdienst
- Marsalek nutzt mehrere Schein-Identitäten, darunter einen russischen Pass namens Alexander Nelidow
- Zwischen Januar und November 2024 wurde sein Handy 304-mal nahe FSB-Zentrale erfasst
Journalisten unter anderem von «Spiegel» und ZDF sowie der russischen Plattform The Insider haben den flüchtigen Wirecard-Manager Jan Marsalek (45) in Moskau aufgespürt. Er arbeitete dort offenbar für den russischen Geheimdienst, berichteten der «Spiegel» und das ZDF am Dienstag.
Laut «Spiegel» und ZDF machten Journalisten auch der österreichischen Zeitung «Standard», des US-Senders PBS und der russischen Plattform The Insider Marsalek in der russischen Hauptstadt ausfindig. Sie haben demnach eine aktuelle Handynummer des Ex-Managers. Auf ein Telefonat habe sich Marsalek jedoch nicht eingelassen. Es habe lediglich einen Austausch via Telegram zwischen ihm und den Journalisten von «Spiegel» und ZDF gegeben.
Handy nahe FSB-Zentrale erfasst
Die Medien veröffentlichten am Dienstag auch zahlreiche Fotos des gebürtigen Österreichers – etwa in Schlips und Anzug auf dem Weg von der U-Bahn in die Zentrale des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in Moskau.
Zwischen Januar und November 2024 sei sein Handy 304-mal in der Nähe der FSB-Zentrale in Moskau Lubjanka erfasst worden, berichtete das ZDF. Quellen in der russischen Hauptstadt hätten bestätigt, dass er für den russischen Dienst tätig sei.
Mindestens sechs verschiedene Identitäten
Den Recherchen zufolge nutzt Marsalek mehrere Schein-Identitäten, darunter auch einen russischen Pass. Sein Name darauf lautet Alexander Michaelowitsch Nelidow. Angeblich ein eingebürgerter Ukrainer. Einen Alexander Nelidow gab es den Recherchen zufolge in der Ukraine aber nie. Datenanalysen belegten Reisen von Marsalek ins Kriegsgebiet in der Ostukraine und ins russisch besetze Mariupol – unter dem Namen Alexander Nelidow.
Marsaleks Bild ziert laut Bericht auch einen belgischen Pass, ausgestellt auf den Namen Alexandre Schmidt. Eine digitale Kopie dieses gefälschten Passes sei auch bei einer Polizeirazzia im Haus von Orlin Roussev, einem langjährigen Geschäftskontakt von Marsalek, in England im Februar 2023 gefunden worden.
Insgesamt ordnen die Journalisten Marsalek mindestens sechs verschiedene Identitäten zu.
Geheimnisvolle Frau
Die den Journalisten vorliegenden Fotos zeigen Marsalek häufig in Begleitung der Übersetzerin Tatiana Spiridonowa (41). Der Ex-Manager sei regelmässig in ihrem Apartment im Zentrum Moskaus, berichteten die Medien. Spiridonowa reist den Recherchen zufolge auch oft mit einem Alexander Nelidow. Und sie soll Marsalek bei der Beschaffung sensibler Daten geholfen haben.
Schon im März 2024 hatten der «Spiegel», das ZDF, der österreichische «Standard» und die russische Plattform The Insider unter anderem unter Berufung auf westliche Geheimdienstinformationen berichtet, dass Marsalek offenbar seit Jahren für russische Geheimdienste aktiv gewesen ist.
Seit 2020 auf der Flucht
Marsalek arbeitete seit Januar 2000 bei Wirecard und war seit 2010 Mitglied des Vorstands. Dabei war er vor allem für das Asien-Geschäft verantwortlich. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt unter anderem wegen des Verdachts des gewerbsmässigen Bandenbetrugs, des besonders schweren Falls der Untreue sowie weiterer Vermögens- und Wirtschaftsdelikte gegen ihn.
Marsalek befindet sich seit der Insolvenz des Zahlungsdienstleisters im Juni 2020 auf der Flucht und wird international gesucht. Die Insolvenz des ehemaligen Dax-Konzerns gilt als einer der grössten Wirtschaftsskandale Deutschlands.