Darum gehts
Was genau in der Horror-Tischbombe steckt, die Donald Trump (78) bei seinem Auftritt am Mittwoch im Rosengarten des Weissen Hauses zünden will, weiss nur der US-Präsident selbst. Klar aber ist: Die angekündigten Strafzölle markieren ein abruptes Ende der europäisch-amerikanischen Freundschaft.
Natürlich gibt es auch in dieser Runde des Trump’schen Spiels feiernde Gewinner. Nur: Es sind nicht die inflationsgeplagten Amerikaner.
Die amerikanisch-europäische Partnerschaft war einst die mächtigste Allianz der Welt. Gemeinsam hat man die Nazis besiegt und danach die Nato gegründet. Dank Amerikas Finanzspritze (Marshallplan) kam Europa nach dem Zweiten Weltkrieg überhaupt erst wieder auf die Beine. Jahrzehntelang hielt Europa dank den strategisch positionierten amerikanischen Atomwaffen auf dem Kontinent die Sowjets in Schach.
Die Amerikaner haben die Kriegsgräuel in Bosnien (1995) und im Kosovo (1999) beendet, die Terrororganisation IS zerstört und jüngst die Ukraine von einem wehrlosen Aussenseiter zu einer veritablen Militärmacht hochgerüstet. Europa hat dem «big brother» ennet des Teichs viel zu verdanken. Und Amerika hat seinen «Ursprungskontinent» (viele Amerikaner haben hier ihre Wurzeln) gerne verhätschelt.
Europa zückt seine eigenen Handelswaffen
Wenn Trump am Mittwoch in den wohlduftenden Rosengarten tritt, um sein protektionistisches Gift zu versprühen, ist es mit dem transatlantischen Schulterschluss vorbei. Ursprünglich hatte Trump angekündigt, bestehende Zölle, die andere Länder auf amerikanische Produkte erheben, zu spiegeln. Dann sprach er von 25-Prozent-Zöllen auf alle Autos und von 10 bis 15 Ländern, die er auf dem Radar habe. Kurz darauf dann liess Trump bei einer Impromptu-Pressekonferenz in seinem Flieger verlauten, es werde «alle Länder» treffen. Im besonderen Fokus steht die EU, die laut Trump «nur dazu erschaffen wurde, uns auszunehmen».
Das letzte Mal, dass die Amis so unzimperlich mit Europa umgegangen sind, war am 16. Dezember 1773. Damals warf eine Gruppe erzürnter Pioniere am Hafen von Boston 342 Kisten mit Tee aus den britischen Kolonien ins Meer, aus Frust über die unfaire Handelspolitik des Königreiches.
Am 2. April 2025 verschütten Trump und sein Team wohl viel mehr als ein paar Kisten Tee. Selbst die vorsichtige NZZ warnt davor, Trumps Handelspolitik könnte das Ende der EU und das Aus für den Euro bedeuten, schlimmstenfalls sogar das wirtschaftliche Zusammenrücken von Washington und Moskau (besiegelt bei einem Trump-Putin-Gipfel in Genf).
Das würde Europa unter nie dagewesenen Druck setzen. Trump dürfte sämtliche militärischen Massnahmen (beispielsweise Militärhilfe an die Ukraine) mit sofortiger Wirkung einstellen, die dem Wirtschafts-Kumpel in Moskau schaden. Kreml-nahe Redaktionen berichteten am Dienstag von einem möglichen Rohstoff-Deal, den Trump mit Wladimir Putin (72) aushandeln wolle. Der russisch-amerikanische Handschlag über die Köpfe der Europäer hinweg ist also mehr als nur ein Schauermärchen.
Kommt der Handelshammer in voller Härte, wird sich Europa fragen müssen, ob man die Amerikaner kurzfristig ghosten und gegebenenfalls die Fühler Richtung China ausstrecken sollte. Serbien und Ungarn tun das heute schon. Warum nicht das Glück mit Peking versuchen, wenn Washington auf stur schaltet?
Der wachsende Einfluss der Chinesen wäre dabei längst nicht die einzige unangenehme Nebenwirkung des «Liberation Days» (so hat Trump übrigens schon seinen Wahltag am 5. November 2024 genannt). Die EU – immerhin der grösste Binnenmarkt der Welt – hat eine Reihe von eigenen Handelswaffen in der Hinterhand, die Trumps Zoll-Party übel verderben könnte.
US-Touristen wollen sich als Kanadier ausgeben
Ein deutscher Minister erklärte Blick in einem Off-the-record-Meeting jüngst, man habe konkrete Pläne, Firmen in republikanischen Hochburgen wie Wisconsin (Harley Davidson) oder Tennessee (Whisky) mit hohen Zöllen zu belegen, damit die Trump-Wählerschaft spüre, wie verheerend die Politik ihres Präsidenten sei.
Das Portal «Politico» hat in Erfahrung gebracht, dass US-Banken mit massiv langsameren Bewilligungsverfahren und amerikanische Firmen mit dem Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen in Europa abgestraft werden könnten. Und wozu das alles? Weil die Amerikaner im letzten Jahr rund 50 Milliarden Dollar mehr für europäische Güter ausgegeben haben als die Europäer für amerikanische. Eine lächerliche Summe bei einer jährlichen Handelsbilanz von 1,7 Billionen Dollar.
Unangenehm würden die Konsequenzen des «Liberation Day» auch für die über 20 Millionen amerikanischen Touristen. Nicht nur wegen der deutlich erhöhten Landegebühren, mit denen Europa US-Airlines belasten könnte. Sondern auch weil sie sich dem Generalverdacht aussetzen, Trump gewählt und damit das Schlamassel erst ausgelöst zu haben. Eine amerikanische Bekannte des Autors, die im Sommer in die Schweiz reist, sagt: «Ich werde überall erzählen, ich sei Kanadierin.»
So weit, so beängstigend. Aber: Manche Tischbomben zünden nicht. Trump selbst hat in einem seiner heiteren Momente angetönt, er wolle am Mittwoch «ganz nett» sein und manchen Ländern «eine Pause» gönnen. Europa bibbert. Einen anderen Umgang mit geopolitischer Ungewissheit hat die Alte Welt noch nicht gelernt. Das wird sie rasch ändern müssen. Ganz egal, wie «befreiend» Trumps «Liberation Day» ausfallen wird.