Darum gehts
Wenn Donald Trump (79) einen höchstpersönlich aufs Handy anruft, dann muss es ernst sein. Ernst war es ihm auch, als er Anfang der Woche zum Hörer griff und Emma Tucker (58) anrief. Die Chefredaktorin des «Wall Street Journal» hatte eine brandheisse Story in der Pipeline über einen «derben Brief», den Trump seinem Freund Jeffrey Epstein († 2019) 2003 zu dessen 50. Geburtstag geschrieben haben soll.
Tucker liess sich von Trump nicht einschüchtern. Am Donnerstagabend veröffentlichte das «Journal» den Artikel – ohne Foto des Briefs. «Auf dass jeder Tag ein neues wunderbares Geheimnis wird», soll Trump seinem Buddy gewünscht haben. Ebenfalls auf dem Brief: eine Zeichnung einer nackten Frau mit der Unterschrift «Donald» anstelle der Schamhaare. «A bombshell», wie die Amerikaner sagen. Doch verheerend ist die Bombe nicht primär für den US-Präsidenten, sondern für einen anderen mächtigen Mann.
Rückblende: Vor knapp zwei Wochen teilte das amerikanische Justizministerium der Öffentlichkeit mit, dass es im Fall des verstorbenen Sexualstraftäters Jeffrey Epstein doch «keine belastende Kundenliste» gäbe und man jede weitere Untersuchung für «nicht angemessen» halte. Eine 180-Grad-Kehre von Justizministerin Pam Bondi (59), die noch vor kurzem im Fernsehen sagte, die Liste liege zur Durchsicht auf ihrem Pult.
Anhänger verbrennen ihre MAGA-Mützen
Auf Bondis jüngste Ankündigung folgte, was Beobachter bisher für undenkbar gehalten hatten: eine Implosion der bislang eisern zu Trump haltenden «Make America Great Again»-Bewegung. Die Wut von Trumps treuesten Anhängern darüber, dass der vermeintlich grösste Skandal in der US-Geschichte jetzt doch nicht ans Licht kommen soll, wächst von Stunde zu Stunde.
Videos von brennenden MAGA-Mützen gehen viral, die sozialen Medien sind voll von hasserfüllten Kommentaren, republikanische Politiker in Washington scheren – wenn auch zögernd und übervorsichtig – aus, um ihrer Wählerbasis zu zeigen: «Doch, doch, das ist schon wichtig. Wir nehmen das schon ernst.»
Was immer der Präsident tut: Das Epstein-Problem will einfach nicht verschwinden.
- Trump entliess die federführende Staatsanwältin im Fall Epstein.
- Trump liess ein zehnstündiges Überwachungsvideo aus Epsteins Gefängnis veröffentlichen, aus dem hervorgehen soll, dass Epstein tatsächlich Suizid begangen hat und nicht ermordet worden ist. Dumm nur, dass auf dem Video volle drei Minuten fehlen.
- Trump betonte bei mehreren Auftritten, wie «langweilig» die Epstein-Akte sei und dass sich seine Anhänger besser auf die zahlreichen republikanischen Erfolge konzentrieren sollten.
- Trump wies Justizministerin Bondi an, jenen Teil der Akten zu veröffentlichen, die die zuständige Jury im Epstein-Prozess zu sehen bekam.
Doch nichts half. Donald Trumps Problem ist klebriger und hartnäckiger als alles, was ihm bisher begegnet ist.
Was weiss Ghislaine Maxwell?
Nicht weniger als 63 Prozent der US-Wähler finden laut einer Umfrage der Universität Quinnipiac, dass Trumps Umgang mit der Sache nicht angemessen sei. Die Investigativjournalistin Lindsay Beyerstein (35) schreibt auf X, einem bedeutenden Teil der Trump-Wähler seien dessen Aussenpolitik und Steuerkürzungen für die Reichen egal. Sie hätten ihn in der Hoffnung gewählt, er würde endlich Licht in die vermeintlichen Verschwörungen bringen. «An diesen treuen Unterstützern begeht Trump gerade Hochverrat.»
Dem mächtigsten Mann der Welt sind die Hände gebunden. Jeffrey Epstein, der einst zu Protokoll gab, «Donalds engster Freund» zu sein, der Trump mit seiner dritten Ehefrau Melania (55) bekannt gemacht hatte, der mit ihm in den 1990er- und 2000er-Jahren regelmässig wilde Feste feierte; dieser längst verstorbene Epstein ist für Trump einfach nicht totzukriegen.
Was soll Trump bloss tun? Wenn er die Akte vollständig veröffentlichen lässt (was nur schon wegen der Persönlichkeitsrechte der Epstein-Opfer schwierig werden dürfte), dann ist er entweder geliefert, weil er selbst auf der bislang rein imaginären Kundenliste auftaucht. Oder aber die vermeintliche Verschwörung geht weiter, weil es tatsächlich kein Verzeichnis der Epstein-Kunden zu veröffentlichen gibt.
Die Rufe nach einem Sonderermittler werden täglich lauter. Dabei dürfte auch Ghislaine Maxwell (63), die 2021 zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilte einstige Lebenspartnerin von Epstein, wieder ins Visier geraten. Was weiss sie? Was bräuchte sie, um ihr Schweigen vielleicht doch noch zu brechen?
Jeder Schritt könnte für J. D. Vance der letzte sein
Für Trump bleibt die Situation extrem unangenehm – auch wenn sie ihm politisch kaum gefährlich werden kann. Sein zentrales Finanzgesetz hat er bereits durchs Parlament geboxt, eine Wiederwahl braucht er nicht mehr zu gewinnen. Ganz anders sieht es für seinen Vizepräsidenten J. D. Vance (40) aus.
Vance forderte einst selbst, die Epstein-Akte müsse ungeschwärzt veröffentlicht werden. Jetzt ist der sonst so schreibwütige und redegewandte Vize plötzlich verstummt. Tagelang verweigerte er zur Epstein-Affäre jeden Kommentar. Erst auf die Veröffentlichung des Artikels über Trumps Glückwunschbrief im «Wall Street Journal» setzte er einen wütenden Tweet ab: wütend auf die Zeitung, nicht auf Trump oder jene, die immer dringlicher eine Veröffentlichung der Akte fordern, wohlgemerkt.
Vance weiss genau: Er darf weder mit Trump brechen, noch die MAGA-Anhänger verärgern, die mit Trump gebrochen haben. Er braucht beide, Trump und die MAGA-Bewegung, wenn er im Präsidentschaftswahlkampf 2028 eine Chance auf den Top-Job haben will. Im Minenfeld des vermeintlichen Skandals kann jeder Schritt sein letzter sein.
Paradoxerweise dürfte Vance, der sich bisher an keiner Stelle dieser unappetitlichen Geschichte etwas zuschulden kommen liess, Epsteins letztes Opfer werden.