Darum gehts
- Kältefleck im Nordatlantik zeigt Abschwächung der Atlantischen Umwälzzirkulation
- AMOC-Schwächung könnte kältere Winter und veränderte Wettermuster in Europa bringen
- Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat die AMOC 12 bis 15 Prozent Kraft verloren
Europa schwitzt derzeit unter einer heftigen Hitzewelle mit Temperaturen bis zu 40 Grad. Doch während sich die Ozeane und Meere aufheizen, gibt es im Nordatlantik einen Ort, der sich ganz anders verhält: Der sogenannte «Cold Blob» südlich von Grönland bleibt seit Jahrzehnten kälter oder erwärmt sich viel langsamer als andere Ozeane. Ein vom Klimawandel vergessener Ort? Leider nein!
Dieser Kältefleck ist kein Zufall, sondern ein Zeichen dafür, dass die Atlantische Umwälzzirkulation (Amoc) schwächer wird. Die Amoc ist eine riesige Meeresströmung, die warmes Wasser aus den Tropen nach Norden transportiert und so Europa ein mildes Klima beschert. Wenn diese «Wärmepumpe» stottert, könnte das Europa ernsthafte Probleme bereiten, wie die «Süddeutsche Zeitung» berichtet in Bezug auf eine Studie, die im Fachmagazin «Communications Earth & Environment» veröffentlicht wurde.
Die Forscher Kai-Yuan Li und Wei Liu der University of California Riverside haben gezeigt, dass der «Cold Blob» ein Hinweis auf die Abschwächung der Amoc ist. Da direkte Messungen der Strömung erst seit 2004 vorliegen, nutzten sie historische Daten zur Meeresoberflächentemperatur und zum Salzgehalt, die bis 1900 zurückreichen. Diese Daten fütterten sie in 94 Klimamodelle. Rund die Hälfte zeigte eine Abschwächung der AMOC – und genau diese Modelle konnten den Kältefleck erklären.
Möglich, aber eher unwahrscheinlich
Der «Cold Blob» liegt an einem wichtigen Punkt der Amoc: Südlich von Grönland sinkt normalerweise schweres, salzhaltiges Wasser ab und fliesst am Meeresgrund zurück. Doch das Wasser im Kältefleck ist nicht nur kalt, sondern auch weniger salzig – weil es durch das wegen der Erderwärmung vermehrte Schmelzwasser der grönländischen Gletscher verdünnt wird. Dieses leichtere Wasser bremst das Absinken und damit die gesamte Umwälzzirkulation.
Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bestätigt, dass der «Cold Blob» ein klarer Fingerabdruck der schwächelnden Amoc ist. Die Kälteblase lässt sich sogar bis in 1000 Meter Tiefe nachweisen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat die Amoc etwa 12 bis 15 Prozent an Kraft verloren – noch nicht dramatisch, aber besorgniserregend.
Ob die Amoc bald komplett zusammenbricht, ist unklar. Ein Kipppunkt, bei dem die Strömung dauerhaft versiegen würde, gilt als möglich, aber eher unwahrscheinlich in diesem Jahrhundert. Wahrscheinlicher ist eine weitere Abschwächung um bis zu 43 Prozent. Selbst eine moderate Schwächung kann aber schon kältere Winter in Europa bringen und das Wetter stark verändern.
54 zusätzliche Frosttage in Berlin
René van Westen von der Universität Utrecht warnt: Ein Zusammenbruch der Amoc würde Europa deutlich kälter machen. In Berlin könnten dann 54 zusätzliche Frosttage pro Jahr auftreten, und starke Winterstürme wären häufiger. Solche Szenarien erwarten Forscher allerdings erst im 22. Jahrhundert, wenn sich das Klima langfristig an die veränderte Ozeanzirkulation angepasst hat.
Kurzfristig konkurriert die Abkühlung durch eine schwächere Amoc mit der allgemeinen globalen Erwärmung, was Vorhersagen für Europa erschwert. Langfristig aber wäre ein Kollaps der Amoc ein sehr schlechtes Szenario – mit kälteren Temperaturen, steigendem Meeresspiegel und veränderten Regenzonen.
Klimaforscher wie Rahmstorf betonen deshalb: Das Risiko eines Zusammenbruchs lässt sich deutlich verringern, wenn die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt wird. Klimaschutz ist dringend nötig, um Europas Klima stabil zu halten – auch wenn gerade eine Hitzewelle das Gegenteil vermuten lässt.