Es waren die längsten 60 Minuten, die Daniela Alves (22) je erleben musste. Im Sommer 2016 legte sie sich bei einem Schönheitschirurgen in Österreich unters Messer. Sie wollte an ihren Innenschenkeln Fett absaugen lassen. Beim Gehen rieben die Beine aneinander, was zu Hautenzündungen führte. «Der Arzt versprach: Mit einer Fettabsaugung könne das ganz unkompliziert behoben werden.»
Unkompliziert – das war beim Beratungsgespräch mit dem Schönheitschirurgen ein häufig verwendetes Wort. «Er sagte mir, dass ein solcher Eingriff völlig harmlos sei und ich am gleichen Tag wieder arbeiten gehen könne», erzählt die Aussendienstmitarbeiterin aus Chur. Alves bezahlte für das Fettabsaugen 5000 Franken – und musste dazu höllische Schmerzen erleiden.
Eingriff ohne Narkose
«Die Teilnarkose hat bei mir nicht angeschlagen, selbst als er die Dosis erhöhte», sagt Alves. Für den Chirurgen kein Grund, den Eingriff abzubrechen. «Er sagte mir bloss, dass wir die Fettabsaugung auch so durchführen können.»
Zuerst wurden ihr mehrere Liter eines Gemischs aus Wasser, einem Betäubungsmittel, einer Kochsalzlösung und Schmerzmitteln in das Unterhautfettgewebe gespritzt.
Danach ging der Arzt mit einer Kanüle unter die Haut und saugte das Gemisch mitsamt dem gelösten Fett wieder ab. «Der Arzt riss die Kanüle unter der Haut hin und her – und ich schrie vor Schmerzen, weil ich alles gespürt hatte», sagt Alves.
Die OP-Assistentin habe ihr nur immer wieder gesagt, dass es bald vorbei sei.
Mehrere Tage arbeitsunfähig
War es nicht. In Kompressionsstrümpfe gepackt wurde sie wenige Stunden nach der Operation wieder nach Hause geschickt. «Wer sagt, nach einer Fettabsaugung könne man gleich wieder arbeiten gehen, muss schlichtweg spinnen!»
Alves hat es vom OP-Saal kaum bis ins Auto geschafft und während der Fahrt das ganze Auto vollgeblutet. «Zu Hause konnte ich mehrere Tage lang nur liegen, so stark waren die Schmerzen», sagt Alves. Arbeiten? Unmöglich.
Und das Ergebnis? Nicht zufriedenstellend, findet Alves. «Meine Schenkel sind gleich dick geblieben wie zuvor – ich habe nachgemessen!» Und am linken Oberschenkel habe sie eine grosse Beule, die vor der Operation nicht dort war. «Meine Oberschenkel sind verhärtet und schmerzen immer noch – ich muss deswegen in die Physiotherapie.»
«Das habe ich nie behauptet!»
Der Arzt von Alves wehrt sich gegen die Kritik seiner Patientin. «Ich habe nie behauptet, dass die Fettabsaugung unkompliziert sei. Gerade bei einer Fettabsaugung bei den Innenschenkeln ist es völlig offen, wie das Ergebnis wird. Das sind schwierige Eingriffe», sagt er zu BLICK.
Die Patientin habe zudem ein Standardformular unterschrieben, auf dem sie bestätigt hat, dass sie über alle Risiken mündlich informiert worden sei.
Ebenfalls bestreitet der Arzt, Alves je gesagt zu haben, sie könne nach dem Eingriff wieder arbeiten gehen. «Das würde ich nie behaupten», beteuert er.
Allerdings wirbt er auf seiner Homepage genau damit. «Durch den ambulanten Eingriff fühlen Sie sich in Ihrer Beweglichkeit kaum beeinträchtigt und bereits am gleichen oder nächsten Tag können Sie wieder arbeiten», heisst es dort.
Der Arzt verteidigt das: «Ich hatte auch schon robuste Patienten, die nach dem Eingriff arbeiten gingen – aber das ist von Typ zu Typ unterschiedlich», so der Arzt.