Im Prozess vor dem Regionalgericht der nördlichen Waadt im letzten Oktober hatte die Waadtländer Justiz den Lokführer der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen. Der 58-Jährige erhielt eine Strafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren.
Das Urteil entsprach den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung verlangte eine mildere Strafe und legte Berufung ein.
«Ich bekomme 90 Tage, während die SBB ungeschoren davon kommt. Es ist dieses Verhältnis, das mich stört», sagte der Lokführer am Dienstag auf die Frage des Obergerichts, ob dieser Rekurs wirklich einen Sinn habe.
Der Lokführer bejahte diese Frage und bezeichnete die Strafe, die er bekommen habe, als «überrissen». Seine Anwältin erinnerte an die stressigen und schwierigen Bedingungen der Lokführer. Dies gelte vor allem für die Regionallinien. Erst nach dem Zugunglück habe die SBB das Zugsicherungssystem ZUB auf der Linie installiert.
Ihr Mandant habe einen völlig unabsichtlichen Fehler gemacht, weshalb seine Schuld nicht sehr schwer wiege. Die Strafe müsse auf 30 Tage reduziert werden, forderte die Verteidigerin.
Während des ersten Prozesses in Yverdon-les-Bains hatte der Lokführer ganz bestritten, ein Haltesignal überfahren zu haben. Wenn er ein rotes Signal gesehen hätte, wäre er nicht abgefahren, hatte der Lokführer zu Protokoll gegeben. Damit widersprach er der Anklage und dem Untersuchungsbericht.
Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) hatte in ihrem Schlussbericht festgehalten, dass der Lokführer des Regionalzugs in Richtung Lausanne am Kreuzungsbahnhof Granges-Marnand VD am 29. Juli 2013 ein Haltesignal missachtet hatte.
Kurz nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof kam es auf der eingleisigen Bahnstrecke zu einem Zusammenstoss mit einem entgegenkommenden RegioExpress. Der 24-jährige Lokführer des anderen Zuges kam ums Leben, von den 45 Passagieren in beiden Zügen wurden 26 verletzt.
Das Urteil wird in den nächsten Tagen bekannt gegeben.