Später zur Schule gehen, zu Hause arbeiten, das Büro ist gleich um die Ecke: Bis vor kurzem waren das noch Träume vieler Schüler und Arbeitnehmenden. Nun sind solche Massnahmen anerkannte politische Ziele – wegen des täglichen Beinahe-Kollapses des Verkehrssystems. Rund um die Zentren stehen Autofahrer morgens und abends immer länger im Stau. Auch in den Zügen und Trams wird es ständig enger.
Den Arbeitsalltag flexibler gestalten und den Verkehr umverteilen, umleiten und vermeiden, lautet die Lösung der Verkehrs- und Städteplaner. Doch funktioniert das auch? Und machen die Leute mit? Zum Teil schon, lautet die Antwort einer Studie des Beratungsbüros Infras im Auftrag der Metropolitankonferenz Zürich.
Diese Massnahmen helfen gegen den Verkehrskollaps
- Heimarbeit und flexible Arbeitszeiten Home-Office-Tage sind in vielen Unternehmen Standard. So dürfen die Mitarbeiter von IBM selber entscheiden, wann und wo sie arbeiten – sofern das mit ihren Aufgaben vereinbar ist. Vor allem Dienstleistungsunternehmen lassen ihren Angestellten die Wahl, auch zu Hause zu arbeiten. Bei vielen Firmen ist der Freitag der Home-Office-Tag. Um die Spitzen dauerhaft zu brechen, müssten die Heim-Büro-Tage aber über die ganze Woche verteilt werden. In der Industrie und der Baubranche ist Home-Office meist nicht möglich.
- Auto-Teilet Carpooling und Carsharing haben laut Infras ein grosses Potenzial, um die Verkehrsspitzen zu reduzieren und Staus zu vermeiden, bei den Arbeitnehmern sind sie aber unbeliebt und werden nur vereinzelt genutzt. Offenbar ziehen die Menschen es vor, im eigenen Auto unterwegs zu sein, und sie wollen ihre Mobilität nicht einschränken. Flexible Arbeitszeiten haben zudem zur Folge, dass Carpooling weniger gut möglich ist.
- Förderung Veloverkehr Viele Firmen haben Veloabstellplätze, Garderoben und Duschen für ihre Mitarbeiter. Nur wenige Unternehmen stellen gemäss der Studie aber Velos oder E-Bikes zur Verfügung oder fördern Bike-Sharing.
- Späterer Schulbeginn Die Informatik-Abteilung der Hochschule Luzern (HSLU) in Rotkreuz ZG hat den Ausbildungsbeginn auf 9.00 Uhr festgelegt. Damit ist die HSLU aber eine Ausnahme – und dürfte es auch bleiben. Bei Schülerinnen und Schülern stosse die Anpassung der Schulzeiten und Stundenpläne auf «sehr grosse Vorbehalte», heisst es in der Studie. Bei Hochschulen ist die Bereitschaft am grössten. In Kantons- und Berufsschulen ist ein Abbau der Präsenzzeit hingegen kein Thema. Unterricht übers Internet gibt es kaum.
- Flexible Preise im öffentlichen Verkehr Preiserhöhungen zu den Stosszeiten kommen bei den Pendlern schlecht an. Denn dies wird als Strafe empfunden. Viele können die Arbeitszeiten zudem nicht selber festlegen. Besser kommen Rabatte in den Nebenverkehrszeiten an. «Eine Belohnung wird grundsätzlich besser akzeptiert als eine Bestrafung», so die Studie.
- Geteilte Büros Sogenannte Shared Work Spaces sind im Tech-Sektor in Mode, sonst aber kaum verbreitet. Auch sie werden aber gefördert: Die Genossenschaft Village Office will bis 2030 in der Schweiz ein Netz von Arbeitsplätzen schaffen, die innerhalb von 15 Minuten mit ÖV und dem Velo erreichbar sind. Der Förderfonds der Migros unterstützt das Vorhaben.
Fazit: Würden die Massnahmen voll genutzt, könnte laut der Studie jede dritte Auto- und Zugfahrt vermieden werden. Die Autoren der Untersuchung sind sich aber bewusst, dass das ein theoretischer Wert ist. Für realistisch halten sie eine Reduktion von 15 Prozent der ÖV-Fahrten und von 20 Prozent der Autofahrten. Das hätte bereits grosse Folgen: Das Staurisiko würde mehr als halbiert.