Zoff um Turm von Vals
Das Duell der Dorfkönige

Der eine will ein 381 Meter hohes Hotel bauen, der andere hält das für ein Hirngespinst: Hinter dem Zank um den Valser Rekordturm verbirgt sich die zerbrochene Freundschaft zweier Alphatiere.
Publiziert: 29.03.2015 um 21:04 Uhr
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Aktualisiert: 09.10.2018 um 00:29 Uhr
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Steinbruch-Besitzer Pius Truffer: Mit Spitzenarchitektur im Bergtal will Truffer die Tourismus-Krise überwinden.

Sogar die Zahnbürste teilten sie sich früher auf Bergtouren. Pius Truffer (59) und Peter Schmid (65) gingen durch dick und dünn. Beide sind Charakterköpfe. Beide lieben die Literatur, die Architektur, die Natur. Schmid war Trauzeuge, als Truffer heiratete, ist Götti eines seiner Kinder. Schmid schreibt Theaterstücke in seinem kleinen Haus mitten im Dorf, der andere baut hinten im Tal Quarzit ab.

Zusammen haben sie viel erreicht. Sie setzten Vals auf die Karte des Tourismus. Peter Zumthors weltberühmte Therme – ohne das Duo Truffer und Schmid wäre sie nie gebaut worden. Schmid stand der Baukommission vor, Truffer war Präsident des Verwaltungsrates.

Heute sind sie Gegner. Am 28. Januar 2010 wurde Truffer als Präsident des Verwaltungsrates der Therme abgesetzt. Schmid weiss das Datum noch heute auswendig. Der Erfolg mit der Therme sei Truffer «in den Grind gestiegen». Er habe abgehoben, seine Position missbraucht: «Die Absetzung war nur logisch.»

Doch Truffer liess sich nicht wegwählen. Er kehrte zurück, mächtiger denn je. In einer denkwürdigen Gemeindeversammlung entschieden die Valser vor drei Jahren, die Therme nicht an Zumthor zu verkaufen, sondern an Truffers Kompagnon Remo Stoffel (37). Er und Truffer versprachen den Valsern ein neues Hotel und ein modernes Sportcenter. So brachten sie die Dorfjugend auf ihre Seite.

Auch Stoffel ist ein Valser. Mit dem Kauf der Immobilien aus der Konkursmasse der Swissair kam er zu einem Vermögen. Heute kontrolliert er mit der Priora AG eine der grössten Bau- und Immobilienfirmen des Landes. Die Priora soll das Geld liefern für Truffers Vision: 300 Millionen Franken, um aus Vals ein Mekka für Architekturfans zu machen. Nach Zumthor sollen sich im engen Bergtal auch der Japaner Tadao Ando und der Amerikaner Thom Mayne verewigen dürfen. Ando soll einen Park, Mayne einen 381 Meter hohen Hotelturm bauen. Eine Nadel aus Beton und Glas.

«Ein Narrenhaus», sagt Truffer selbst. Er ist der letzte, der sich wundert, dass alle Welt ungläubig den Kopf schüttelt, die Einheimischen wie die Unterländer. «Es ist ein extremes Gebäude, das wir erklären müssen», so Truffer.

Der Vater von fünf Kindern sitzt am grossen Tisch im Foyer des Hotels Therme. Am Vorabend haben er und Stoffel das Projekt der Bevölkerung von Vals vorgestellt. Die Turnhalle platzte aus allen Nähten, fast die Hälfte der 1000 Dorfbewohner war dabei.

Auf dem Fensterbrett stehen schwere Bildbände zu berühmten Architekten. Sie sind Truffers Privatbesitz: «Der polternde Unternehmer, der Steinbruchbesitzer, das bin ich alles nicht», sagt er. «Meine Welt ist die der Bücher. Ich bin nach Vals zurückgekommen, um ein alternatives Leben zu führen.»

Damals, als er und Schmid die Thermen bauen wollten, seien 90 Prozent der Dorfbewohner dagegen gewesen. Viele hätten Zumthors Vorhaben als eine Spinnerei abgetan, die nicht nach Vals passe. «Das war eine unglaublich schwierige Zeit», sagt Truffer.

Heute findet er sich in der gleichen Situation wieder. «Das Neue stört am Anfang immer, weil es die eigene Identität in Frage stellt.» Schon beim Bau der Eisenbahnen und der Staumauern sei das so gewesen. Diese Diskussion will Truffer nun mit seinen Valsern erneut führen. «Wir müssen etwas Einmaliges kreieren, etwas Grossartiges. Wie früher die Kirchen», sagt er.

Truffer sei besessen von der Vorstellung, in Vals das höchste Gebäude Europas zu errichten, sagt sein früherer Weggefährte Schmid. Schon als Zumthor den Bau eines viel kleineren Turms vorgeschlagen habe, sei er Feuer und Flamme gewesen. «Er liebt diese phallische Komponente», sagt Schmid.

Er selbst glaubt keine Sekunde daran, dass der Turm jemals gebaut wird. «Er ist ein Hirngespinst.» Schmid misstraut der Finanzierung zutiefst. «Stoffel hat Steuerschulden in Millionenhöhe», sagt er. Er verweist auf ein Urteil des Bundesstrafgerichts aus dem Jahr 2010, wo von möglichen Nachforderungen in der Höhe von 151 Millionen Franken die Rede ist.

Das Projekt diene Stoffel einzig dazu, Zeit zu gewinnen. Er wolle verschleiern, dass er nicht einmal genügend Geld habe, um die Auflagen aus dem Therme-Kauf zu erfüllen. Spätestens wenn Stoffel die Rechnung der Steuerbehörden ins Haus flattere, «wird das ganze Projekt wie ein Kartenhaus zusammenbrechen», sagt Schmid.

Stoffel weist die Vorwürfe zurück (siehe Box links). Die Summe stimme nicht. Zudem habe er bereits 50 Millionen Franken in die Renovation des Hotels und in Landkäufe investiert.

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