Zittern vor US-Präsident – was in Davos alles ansteht
Ein nervöses WEF blickt bange auf Trump

Wie dieses Jahr für die Wirtschaft wird, hängt stark von einem Mann ab: Donald Trump. Doch der US-Präsident ist nicht das einzige Topthema am World Economic Forum in Davos.
Publiziert: 20.01.2025 um 15:45 Uhr
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Der neue US-Präsident soll sich am Donnerstag per Video an die WEF-Gemeinde wenden.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

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Holger Alich
Handelszeitung

«Das WEF wird in diesem Jahr so politisch sein wie schon lange nicht mehr.» Auf diese Formel bringt es eine langjährige Teilnehmerin am World Economic Forum. Schon das Timing ist an Dramatik kaum zu überbieten: Das Forum öffnet just an diesem Montag seine Pforten, dem gleichen Tag, an dem auch Donald Trump als 47. US-Präsident vereidigt wird, der dann seine erste programmatische Rede halten soll. Laut dem «Wall Street Journal» will Trump sofort loslegen, er habe bereits hundert Executive Orders zu den Themen «Migration» und «Zölle» vorbereitet.

Trumps Wirtschafts- und Sicherheitspolitik werden daher die zentralen Themen beim Treffen in Davos GR sein. Trump selbst ist zwar ein grosser WEF-Fan und war gleich zweimal in seiner Amtszeit in den Bündner Bergen, doch dieses Jahr reicht es nur für eine Videoansprache, die für Donnerstagnachmittag geplant ist. Themen wie der Krieg in der Ukraine, die Nahostkrise sowie künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit stehen weiter ebenfalls oben auf der Agenda. Doch dieses Jahr dreht sich alles um Trump und um die Frage, wie Europa seine Wachstumsschwäche gegenüber den USA aufholen kann.

Die USA feiern, Europa hat den Blues

Topmanager berichten, dass die Stimmung in New York fast schon euphorisch sei. «Alle sind extrem bullish, ich bin nicht sicher, ob diese hohen Erwartungen am Ende alle so aufgehen werden», sagt ein Schweizer Topmann der Finanzindustrie. Europa gilt dagegen als der kranke Mann, gelähmt durch Frankreich und Deutschland. 

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Auch europäische CEOs befürworten Trumps Pro-Business-Agenda mit geplanten Steuersenkungen und Deregulierung. Auf der anderen Seite sorgen seine Pläne zu Einfuhrzöllen. Zur Erinnerung: Trump hat angekündigt, Einfuhren aus China mit einem Zoll von 60 Prozent des Warenwertes zu belegen, auf Importe aus anderen Ländern wie der Schweiz und der EU sollen Zölle von 10 bis 20 Prozent erhoben werden.

Ein Schweizer CEO zeigte sich die Tage im Vorfeld des WEF weniger besorgt: «Ich glaube nicht an den grossen Zollschlag, denn die Kosten dafür müssten am Ende die US-Verbraucher bezahlen.» Und die Präsidentschaftswahlen hätten gezeigt, dass die Debatte um die sinkende Kaufkraft in der Amtszeit von Joe Biden eines der Hauptmotive dafür war, die Demokraten abzuwählen. Die Zölle seien für Trump eher ein Druckmittel, um bei Verhandlungen das gewünschte Resultat zu erreichen – etwa höhere Verteidigungsausgaben bei den europäischen Nato-Staaten. 

Denkt man das zu Ende, könnte Trumps Zollkeule vielleicht sogar Positives bewirken. Denn sollte China unter der Drohung von Trumps Zöllen zum Beispiel seine Unterstützung für Russland und dessen Angriffskrieg in der Ukraine herunterfahren, könnte dies ein wichtiger Baustein zu einem Waffenstillstand sein. Doch das ist Spekulation.

Real ist, dass Regierungschefs hochnervös wegen der Zölle sind. So berichtet ein Industriemanager gegenüber der «Handelszeitung», dass sich hochrangige Regierungsvertreter mit europäischen Industrievertretern treffen wollen, um sich zu versichern, dass diese keine Wertschöpfung aus ihren Ländern Richtung USA verlagern werden.

Trumps Zölle kämen die Schweiz teuer zu stehen

Zieht Trump seine Zollpläne wie angekündigt durch, kommt es zu einem teuren Handelskonflikt. Die EU wird vermutlich mit Schlägen gegen die US-Techkonzerne antworten. 

Auch die Schweiz würde unter den neuen Zollschranken leiden: Laut Berechnungen der Konjunkturforschungstelle KOF würden Trumps Zölle die Schweizer Wirtschaftsleistung pro Jahr um 0,2 Prozent tiefer ausfallen lassen – das wären umgerechnet mindestens 200 Franken pro Kopf. Und in Deutschland sind laut dem Institut für Makroökonomie rund 300’000 Arbeitsplätze gefährdet. Kein Wunder, beschäftigt sich gleich am Dienstagmorgen eine der ersten WEF-Veranstaltungen mit dem Thema «Der 47. Präsident, erste Gedanken». 

Mit Blick auf die Tagungsagenda gehört der Dienstag den Europäern: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz werden Reden halten. Doch auch CDU-Chef Friedrich Merz, der bis jetzt die besten Chancen hat, Scholz als Kanzler nachzufolgen, hat einen Auftritt. 

Zudem wird der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in Davos präsent sein, um für weitere Unterstützung für sein kriegsversehrtes Land zu werben. Auch wichtig: Am Dienstag soll Chinas Vizepremierminister Ding Xuenxiang seinen Auftritt haben. Das gibt dem strategischen Rivalen der USA die Möglichkeit, vor der Wirtschaftselite auf Trumps erste Ankündigungen zu reagieren.

McKinseys Vorschläge für mehr Wachstum in Europa

Am Mittwochnachmittag steht eine spannende Diskussion zu Europas chronischer Wachstumsschwäche an, an der EZB-Chefin Christine Lagarde und der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck mit den CEOs des Kosmetikriesen L’Oréal und des Pharmakonzerns Merck diskutieren werden. 

Die Strategieberater von McKinsey werden beim WEF einen Plan vorstellen, wie Europa seine Wachstumsschwäche überwinden könnte. Der Plan enthält zum einen Bekanntes, etwa, dass Staat und Privatwirtschaft gewisse «Leuchtturmprojekte» gemeinsam voranbringen sollen, beispielsweise bei Quantencomputern. Interessanter scheint der Vorschlag, Europas Regulierungsdichte zu entschlacken – indem zu den 27 nationalen Regeln ein 28. Regelwerk geschaffen wird, das dann aber in der gesamten EU einheitlich gelten soll. 

Die Idee: Gewisse Branchen dürften anhand eines neuen, in der ganzen EU einheitlich geltenden Regelsets Geschäfte tätigen und könnten so deutlich einfacher expandieren. Das neue EU-Regelwerk würde alle Einzelstaatregelungen übersteuern. Die Idee klingt einfach, dürfte aber schwierig umzusetzen sein. 

Doch der Produktivitätsabstand zwischen Europa und den USA hat ein dramatisches Ausmass angenommen: So erwirtschaftet laut McKinsey ein Beschäftigter in den USA pro Jahr 46’000 Dollar mehr als ein Beschäftigter in der alten EU mit 15 Mitgliedern. Der Grund dafür liegt wiederum in der chronischen Investitionsschwäche: US-Firmen investieren fast doppelt so viel wie ihre europäischen Wettbewerber.

UBS-Chef Sergio Ermotti wird am WEF über Finanzstabilität diskutieren.
Foto: KEYSTONE

Ein Blick auf die Schweizer Wirtschaftsprominenz: UBS-Chef Sergio Ermotti hat am Mittwoch einen Auftritt, bei dem er mit dem niederländischen Notenbankchef darüber diskutiert, ob das Finanzsystem endlich krisenresistenter geworden ist.

Ansonsten haben viele Top-CEOs Auftritte in den Side-Events, die die US-Medienhäuser organisieren. Das US-Medium Axios zum Beispiel organisiert eine Diskussion mit Open-AI-Chef Sam Altman und Palantir-Chef Alex Karp; es geht darum, wie KI-Lösungen zunehmend in Alltagsgegenstände wie Smartphones und Autos Einzug halten und was dies für Folgen haben wird. 

Im Bloomberg House wird am Dienstag Unicredit-Chef Andrea Orcel sprechen. Der Ex-UBS-Investmentbankchef ist einer der gefragtesten Banken-CEOs dieser Tage, schliesslich liegt er weiter in Lauerstellung, um möglicherweise die deutsche Commerzbank zu übernehmen, was den Startschuss für die weitere Bankenkonsolidierung in Europa bedeuten könnte. 

Am Donnerstag um 17 Uhr sind dann alle Augen auf den Mann gerichtet, der wohl das ganze Jahr 2025 mit seinen Entscheidungen prägen wird: US-Präsident Donald Trump.

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