SNB-Jordan über Corona
«Wir müssen das Virus bekämpfen»

Wegen der Corona-Krise sind Notenbanken weltweit unter Druck. Sie stemmen sich gegen einen starken Abschwung in der Wirtschaft. Die Lage beschäftigt auch die Schweizerische Nationalbank SNB. Das ist ihr Entscheid.
Publiziert: 19.03.2020 um 09:33 Uhr
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Aktualisiert: 19.03.2020 um 14:51 Uhr
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Schweizerische Nationalbank: Stark gefordert in Corona-Zeiten.
Foto: keystone-sda.ch

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält an ihrer expansiven Geldpolitik fest. Sie erhöht den Negativzins-Freibetrag der Banken und prüft zusätzliche Massnahmen. Der Leitzins bleibt bei minus 0,75 Prozent. Ausserdem will sie weiterhin am Devisenmarkt intervenieren, um eine weitere Aufwertung des Frankens zu verhindern. In Krisenzeiten flüchten sich Anleger gerne in sichere Währungen wie den Franken.

In einer kurzfristig einberufenen Telefonkonferenz betonte Nationalbankpräsident Thomas Jordan den Ernst der Lage. Auch deshalb habe man sich entschlossen, die Medien via Telefon zu informieren. In diesen Zeiten besonders wichtig: Das Direktorium der Nationalbank ist gesund und arbeitet eng mit dem Bund zusammen, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzudämpfen.

Die Zinsen hat die Nationalbank nicht weiter in den negativen Bereich gedrückt. Das mache durchaus Sinn, sagte Jordan: «Zinssenkungen helfen nicht immer, wir müssen nun das Virus bekämpfen und wir müssen vor allem sicher stellen, das es genügend Liquidität im Finanzsystem hat.» Nur so könne die Kreditvergabe an die Unternehmen in der Schweiz sicher gestellt werden.

Wirtschaft unterstützen

Die Nationalbank arbeite «eng» mit dem Bundesrat zusammen. Das Ziel: «Die Wirtschaft bestmöglich zu unterstützen».

Das bedeutet konkret: Die Banken sollen mehr Luft bekommen. Sie spielen für die wirtschaftliche Entwicklung in der Schweiz «speziell über die nächste Zeit eine zentrale Rolle», so die SNB. «Um die Banken in dieser Rolle zu stärken, erhöht die Nationalbank per 1. April 2020 den Freibetrag, was die Negativzinsbelastung für das Bankensystem reduziert.»

Jordan präzisiert: «Diese Massnahme entlastet das System um rund 600 Millionen Franken.» Damit sind Negativzinsen für Kleinsparer wohl vorerst vom Tisch!

Banken müssen Verantwortung übernehmen

Die Erleichterung für die Banken entbinde diese nicht von ihren zentralen Aufgaben, erklärt Jordan: «Wir erwarten, dass die Banken ihre volkswirtschaftliche Verantwortung übernehmen. Die Banken müssen der Wirtschaft helfen und nicht mehr Boni oder Dividenden ausschütten. Aber Gespräche mit den Banken haben gezeigt, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind», betont Jordan.

Der Entscheid steht im Licht der aktuellen Corona-Krise. Die Ausbreitung des Virus hat den Bundesrat zu historischen Massnahmen gezwungen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Wirtschaft. Andere Regierungen haben ähnlich oder sogar noch schärfer reagiert. Entsprechend haben auch Notenbanken weltweit ihre Politik geändert.

Der jüngste Entscheid kommt aus Frankfurt. Im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie hat die Europäische Zentralbank EZB ein Notkaufprogramm für Anleihen in Höhe von 750 Milliarden Euro angekündigt. Es soll dabei um Wertpapiere der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft gehen. Europas Währungshüter hatten bereits vergangene Woche ein Bündel von Massnahmen gegen die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie beschlossen.

«Aussergewöhnlich grosse Herausforderungen»

Gleiches Bild in den USA: Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat gestern ihr drittes Notkreditprogramm innerhalb von zwei Tagen eingeführt. Sie kündigte an, Kredite an Banken zu vergeben, die als Sicherheiten von Geldmarktfonds dienen. Die Börsenkurse fallen trotzdem.

Jetzt also die SNB. Erstaunlich: Zum ersten Mal seit langem ändert die Nationalbank ihre Kommunikationsstrategie. Sie widmet sich gleich am Anfang den Folgen des Coronavirus. Dieses «stellt Gesellschaft und Wirtschaft in der Schweiz vor aussergewöhnlich grosse Herausforderungen», so die Mitteilung.

«Die Unsicherheit ist global erheblich angestiegen, und die Aussichten sowohl für die Weltwirtschaft als auch für die Schweiz haben sich markant eingetrübt. Der Franken ist nochmals höher bewertet, und die globalen Finanzmärkte sind unter starkem Druck.»

Rezession erwartet

Um den Spielraum der Banken zusätzlich zu vergrössern, prüft die SNB schliesslich, ob der antizyklische Kapitalpuffer trotz der Risiken am Hypothekar- und Immobilienmarkt gelockert werden kann.

Zu den Wirtschaftsaussichten schreibt die Nationalbank: «Mit der Ausbreitung des Coronavirus haben sich auch in der Schweiz die kurzfristigen Aussichten stark eingetrübt.» Das BIP-Wachstum dürfte aufs ganze Jahr gesehen negativ ausfallen. Eine genauere Prognose wagt die SNB nicht.

Im Dezember hatte die Nationalbank noch mit einem Wachstum zwischen 1,5 und 2 Prozent für das Jahr 2020 gerechnet. (ise/koh)

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