Der Aufstieg Chinas zur wirtschaftlichen Supermacht ist beispiellos. Innert weniger Jahrzehnte hat es die Kommunistische Partei geschafft, aus Maos Armenhaus die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt zu fabrizieren.
Das Wachstum basierte auf einer Kombination von Kapitalismus und knallharter Diktatur. Die liberale Welt liess sich davon aber nicht abschrecken. Ganz im Gegenteil: Angezogen von der Aussicht auf den schnellen Yuan, pilgerten westliche Firmen in Scharen ins Reich der Mitte – und mit ihnen Hunderttausende Expats in der Hoffnung auf den grossen Karrieresprung nach vorne.
2000 bis 2013 verdoppelt sich Zahl der Schweizer
Auch zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer folgten in den Nullerjahren dem Ruf aus Peking. Von 2000 bis 2013 hat sich die Zahl der gemeldeten Eidgenossen in China mehr als verdoppelt, von 1884 auf 4158 Personen.
Doch mittlerweile hat der Wind gedreht und die Population der Schweizer in China ist wieder deutlich kleiner geworden. Per 1. Dezember 2022 waren nur noch 2751 Schweizerinnen und Schweizer in China gemeldet, wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf Anfrage von SonntagsBlick mitteilt.
Die naheliegendste Erklärung für diesen Rückgang ist die umstrittene Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung, die in den vergangenen Tagen zu öffentlichen Protesten der chinesischen Bevölkerung geführt hat.
China verliert Anziehungskraft
Doch das ist nur ein Teil der Erklärung. Die Statistik beweist nämlich, dass China schon lange vor Covid an Anziehungskraft verloren hat. Von 2014 bis heute ging die Zahl der Schweizer in China beinahe jedes Jahr zurück. Bereits 2019, dem letzten Jahr vor Corona, waren nur noch 3410 Personen gemeldet.
Felix Sutter, Präsident der Wirtschaftskammer Schweiz-China (SCCC), erklärt diese Entwicklung mit der zunehmenden Lokalisierung des Managements. «Durch die Erfahrungen, die seit der Jahrtausendwende gesammelt wurden, ist das technische Wissen nun vermehrt lokal vorhanden.»
Entsendung von Fachkräften ist teuer
Des Weiteren sei die Entsendung von Fachkräften für europäische Firmen sehr teuer – und auch für die Expats selbst habe das Leben in China an Attraktivität eingebüsst, so Sutter. «Die Lebenskosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen und steuerliche Vorteile für Expats werden in absehbarer Zeit abgebaut werden.»
Hinter vorgehaltener Hand nennen Expats, die nach wie vor in China leben, aber auch einen anderen Grund für die vielen Rückkehrer: die zunehmende Repression der Regierung. «Der Überwachungsstaat wurde in den vergangenen Jahren spürbar ausgebaut», sagt ein Schweizer, der seit mehr als zehn Jahren in Shanghai arbeitet. Das habe viele seiner Landsleute zu einer Rückkehr bewogen.
Auch er selbst habe an das Prinzip «Wandel durch Handel» geglaubt, als er in den Nullerjahren nach China gekommen sei. Mittlerweile habe sich diese Vision aber längst als Illusion entpuppt.