Wirtschaftsleistung sinkt, Zuwanderung steigt, Arbeitslosigkeit von Ausländern steigt
Unsere Wirtschaft schlottert

Trotz der anhaltenden Frankenstärke scheint die Nachfrage nach Arbeitskräften ungebrochen. Die Schweizer Wirtschaft hingegen ist im ersten Quartal geschrumpft.
Publiziert: 01.06.2015 um 19:01 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:05 Uhr
Unsere Wirtschaft schlingert.
Foto: Thinkstock
Von Nico Menzato und Ulrich Rotzinger

Die Lage ist paradox: Die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres betrug 39 102 Personen – das macht 18 Zuwanderer pro Stunde, so viele wie schon lange nicht mehr.

Die Nachfrage nach Arbeitskräften scheint ungebrochen. Zugleich verliessen im ersten Quartal dieses Jahres 16 892 Personen die Schweiz – dies ergibt inklusive Änderung des Aufenthaltsstatus von einigen Hundert Personen eine Nettozuwanderung von 22 942 Personen.

Auf der anderen Seite: die Schweizer Wirtschaft ist im ersten Quartal geschrumpft. Das reale Bruttoinlandprodukt (BIP), der Gesamtwert aller im Inland hergestellter Waren und Dienstleistungen, ging um 0,2 Prozent zurück. Zum Rückgang haben praktisch alle Branchen beigetragen, schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft.

Einen «beträchtlich negativen Beitrag» verzeichnete die Chemie- und Pharmaindustrie, aber auch die Geschäfte von Maschinen- und Elektronikherstellern entwickeln sich rückläufig. Erste Vorboten für eine Rezession in der Schweiz?

Schrumpft die Wirtschaft während drei aufeinanderfolgender Quartale, herrscht Rezession. Noch ist es aber nicht so weit. Der Grund: Zahlen des Staatssekretariats für Migration, die BLICK vorliegen, zeigen nämlich, dass praktisch überall und quer durch alle Branchen und Qualifikationsniveaus zusätzliche Arbeitskräfte gefragt sind.

Informatiker oder Lehrer genauso wie Personal für das Gast- oder Baugewerbe (siehe Tabelle).

Gleichzeitig, und auch das ist paradox, steigt die Arbeitslosenquote der Ausländer seit zwei Jahren langsam, aber stetig an. Im März 2013 betrug sie 6,3 Prozent, ein Jahr darauf 6,5 und jetzt liegt sie bei 6,7 Prozent.

Gestern präsentierte das St. Galler Institut für Jungunternehmen zudem den Gründerindex für das erste Quartal 2015. Danach hat die Anzahl Firmengründungen in der Schweiz abgenommen – um drei Prozent gegenüber dem Vorquartal. Ein Indiz dafür, dass sich die konjunkturellen Erwartungen eingetrübt haben.

Aber auch die anhaltende Frankenstärke wird potenzielle Jungunternehmer davon abgehalten haben, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.

Was heisst das alles für die Wirtschaft? Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbands, meint: Bei der Zuwanderung handle es sich, wie generell bei der Arbeitslosigkeit, um einen nachlaufenden Konjunkturindikator.

«Den jetzt laufenden Einstellungen liegen meist Personalpläne und Entscheide von Ende letzten Jahres zugrunde – als die Unternehmen noch nicht mit der Aufhebung des Mindestkurses konfrontiert waren.»

Konjunkturexperten gehen davon aus, dass sich die Stimmung nach dem Sommer weiter verschlechtern könnte.

Positive Meldungen gibts immerhin vom Wohnungsmarkt: «Schweizweit nimmt der Wohnungsmangel bereits spürbar ab», schreibt Albert Steck von der Migros Bank.

Derzeit stünden rund 36 000 Mietwohnungen leer – so viele wie seit 2001 nicht mehr. Mehr noch: «Zum ersten Mal übertrifft die Zahl der neu erstellten Mietwohnungen diejenige der Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser.»

Steck schätzt, dass im laufenden Jahr 24 000 neue Wohnungen auf den Markt kommen. Folge: Weniger Wohnungsmangel, mehr Druck auf die Preise.

Und ab heute gilt ausserdem (wie im BLICK angekündigt) ein neuer, rekordtiefer Referenzzinssatz von 1,75 Prozent. Damit winkt eine Reduktion der Miete (ohne Nebenkosten) um mindestens 2,91 Prozent. Steck: «Ein Grossteil der Mieter kann einen tieferen Mietzins beanspruchen.»

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