Zunächst: Ich kenne viele Leute, die sparen müssen. Für sie sind solche Tipps, wie sie der BLICK in dieser Woche aufzählte, wertvoll. Auch die Umwelt freut sich – vorausgesetzt wir sparen am richtigen Ort. Mit meinen 6.50 Franken täglich für Kaffee, Gipfeli und Trinkgeld, «share» ich – wie man heute sagt – unter anderem den BLICK und die «NZZ». Damit fehlt mir aber auch das Geld für die Billigferien in der Karibik, die ich mir dank der totalen Kaffee/Gipfeli-Abstinenz hätte leisten können.
Für die Ökonomie hingegen, und für die Sicherheit unserer Jobs, kann zu viel Sparen gefährlich sein. Würden alle sämtliche Spar- und Steuertipps und -tricks beherzigen, müssten bald zwei von drei Beizen und Läden dichtmachen, die Stadt Adliswil ZH müsste ihr Schwimmbad schliessen und das wäre dann auch das Aus für «mein» Fitnesszentrum. Als einziger Treffpunkt bliebe dann noch die Warteschlange im regionalen Arbeitsvermittlungszentrum RAV.
Um dieser Tristesse zu entfliehen, müsste man dann doch einen Billigflug buchen. Möglichst weit weg. Sparsamkeit an sich ist nicht das Problem, sondern das Sparen im Verhältnis zum Einkommen. Wenn einer für zwei arbeitet und für drei verdient, aber nur für einen konsumiert, und sein Geld stattdessen «anlegt», dann verlieren zwei die Arbeit. Und wenn erst einmal ringsum Stellen gestrichen und Löhne gedrückt werden, dann kommt ein Teufelskreis in Gang.
Zu viel sparen kostet Jobs
Die Mathematik des Sparens ist eben nicht ganz so mathematisch. Wenn nur ich nicht mehr rauche, Kaffee nur noch zu Hause trinke, das Kino konsequent meide und auch den Zinseszins auf die hohe Kante lege, dann bin ich – rein mathematisch – nach 33 Jahren Millionär.
Tun das hingegen viele oder gar alle, dann verliere ich nach zehn Jahren meinen Job und habe nach weiteren fünf Jahren meine Ersparnisse aufgebraucht.
Es sei denn, es trifft nicht mich, sondern meinen Nachbarn. Das richtige Sparmass zu finden, gleicht einer Gratwanderung. Doch Spartipps allein können die Wirtschaft nicht destabilisieren.
Entscheidend ist vielmehr, dass das soziale Gleichgewicht gewahrt wird, dass die Sozialwerke leistungsfähig bleiben und die Sozialpartner respektvoll miteinander umgehen. Dazu trägt auch der BLICK mit seinen kritischen Berichten über ungesunde Arbeitsbedingungen oder Lohndumping, Kündigungen gegen Mütter seinen Teil bei. Da will ich ihm wegen ein paar Spartipps nicht böse sein.