Wirtschaftsexperte Vontobel ordnet ein
Wie gerecht ist «marktgerechte» Mieten?

Wohnen müsste eigentlich nicht teuer sein. Doch weil die Landbesitzer ihren «gerechten» Lohn fordern, zahlen wir an guten Lagen pro Monat locker 2500 Franken Miete zu viel.
Publiziert: 17.11.2018 um 21:30 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2019 um 15:26 Uhr
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Nicht nur grosse Wohnungen sind oft recht teuer.
Foto: Keystone
Werner Vontobel
Werner VontobelWirtschafts-Autor

Sucht man auf der Immobilienplattform Homegate in der Stadt Zürich eine Familienwohnung ab 120 Quadratmetern, findet man kaum Angebote unter 3500 Franken. Eine gute Auswahl hat man erst mit einem Budget von 4500 Franken. Das ist für mindestens 70 Prozent der Familien unerschwinglich. Oder allenfalls eine vorübergehende Lösung, bis sich etwa Besseres ergibt, beziehungsweise bis man auf der Warteliste einer Wohnbaugenossenschaft auf die Pole-Position vorgerückt ist.

Die Wartezeit wäre kürzer, wenn in den Genossenschaften nicht auch Leute wohnen würden, die sich auch eine Wohnung auf dem freien Markt leisten könnten. Deshalb wird in Zürich immer wieder mal die Frage diskutiert, ob die Stadt die Gelder für die Wohnbauförderung nicht besser direkt den bedürftigen Mietern statt den Genossenschaften geben sollte. Im Fachjargon heisst das: Subjekt- statt Objektförderung.

Wo es günstiger ist, reicht das Geld weiter

Dass dies sinnvoll sein könnte, hat die NZZ neulich am Beispiel des Hornbach-Areals im Zürcher Seefeld illustriert. Die Stadt hat dieses Grundstück für 10,7 Millionen Franken an eine Genossenschaft abgegeben. Der Baurechtszins wurde auf dieser Grundlage berechnet. Laut einer Studie beträgt der «marktgerechte» Landwert jedoch 114,9 Millionen oder 12'200 Franken pro Quadratmeter.

Das laufe darauf hinaus, dass jede der 122 Wohnungen (mit total rund 400 Bewohnern) im Schnitt mit 2400 Franken monatlich subventioniert werde. Mit diesem Geld hätte man im Seefeld die Mieten von insgesamt 600 Mietern (183 Familien) halbieren können, und zwar gezielt von solchen, die auf finanzielle Hilfe angewiesen sind. In «normalen» – sprich weniger teuren – Zürcher Quartieren hätte man sogar die Mieten von 280 Familien halbieren können.

Millionengeschenk an die Genossenschaft

An dieser Argumentation ist natürlich etwas dran, aber es gibt auch eine Kehrseite. Mieten sind ja nicht wegen der hohen effektiven Kosten für Normalverdiener kaum noch erschwinglich. Der alleinige Grund für die Preisexplosion liegt darin, dass die Bodenbesitzer immer höhere «Monopolgebühren» eintreiben können.

Auf einen «marktgerechten» Preis des Hornbach-Areals von 114,9 Millionen kommt man nur, weil der Markt das hergibt, beziehungsweise weil die Investoren daraus eine Nettorendite von 3,5 Prozent schlagen können. Damit können sie pro Wohnung über die eigentlichen Kosten (Verwaltung, Unterhalt, Abschreibung) monatlich noch 2400 Franken extra kassieren. Indem die Stadt auf dieses Geld verzichtet, macht sie der Genossenschaft ein Geschenk von jährlich rund 3,5 Millionen Franken.

Doppelt kassieren

Der NZZ missfällt, dass von reduzierten Mieten auch solche Genossenschafter profitieren, die eigentlich auch den vollen Marktpreis zahlen könnten. Sie müssten sich  bloss ein wenig einschränken – ein kleineres Auto, kürzere Ferien, weniger auf der hohen Kante, 100 statt 80 Prozent arbeiten. Doch genau darin liegt die Ungerechtigkeit: Die Macht des Marktes erlaubt es den Bodenbesitzern, alle anderen zu erheblichen Opfern zu zwingen. Und wenn der Staat – via Subjektförderung – einen Teil dieser Zeche zahlt, kassieren die Bodenbesitzer neben dem, was der Markt hergibt, auch noch das, was der Staat draufzahlt. Ein doppelter Hold-up.

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