Beim Lesen des Halbjahresberichts der Autostrade per l’Italia (Aspi) wird vor allem eines klar: Da stinkt etwas. Da hat ein Privatunternehmen mit einem Kapital von 622 Millionen Euro die Kontrolle über ein Strassennetz von 2800 Kilometern Länge übernommen. Bei 100 Millionen Euro pro Kilometer entspricht das einem Wert von 280 Milliarden.
Zum Vergleich: In der Schweiz kostet 1 Kilometer Autobahn heute im Schnitt 260 Millionen Franken.
Nicht weniger erstaunlich ist, dass der bauliche Unterhalt des italienischen Netzes im ersten Semester 2018 nur 324 Millionen gekostet haben soll. Nach schweizerischen Ansätzen müsste es mindestens das Doppelte sein. Gemäss der Tageszeitung «Fatto Quotidiano» waren die baulichen Investitionen in Italiens Autobahnen in der Periode 2008 bis 2015 sogar fast dreimal so hoch wie heute.
«Schamlose Gewinne kleinrechnen»
Da wundert es nicht, dass Aspi allein im ersten Quartal einen Gewinn von fast 702 Millionen erzielt hat. Das entspricht einer Jahresrendite von 55 Prozent auf das inzwischen auf 2,4 Milliarden angewachsene Eigenkapital.
Vermutlich sind es sogar deutlich mehr, denn Aspi hat alles Interesse daran, seine schamlosen Gewinne kleinzurechnen. Hätte Italien seine Autobahnen nicht privatisiert, würden diese Gewinne heute beim Staat anfallen, oder man könnte die Mautgebühren halbieren.
Auf das ganze Netz hochgerechnet (Aspi betreibt etwa die Hälfte davon) beläuft sich der jährliche Verlust auf mindestens zwei, vielleicht auch drei Milliarden Euro. Spätestens nach der Katastrophe von Genua stellt sich deshalb die Frage, ob sich das der italienische Autofahrer und Steuerzahler wirklich gefallen lassen muss.
Cinque Stelle sticht in Wespennest
Cinque Stelle (einer der beiden Koalitionspartner) meint nein und will die Verträge auflösen. Damit sticht die Partei allerdings in ein Wespennest, denn laut «la Repubblica» könnten Aspi beziehungsweise der Hauptaktionär Benetton in diesen Forderungen von 20 Milliarden Euro geltend machen.
Zu den jährlichen Milliardengewinnen käme dann noch ein schönes Schlussbukett dazu – und das alles für einen Einsatz von einigen Millionen. Das wirft die Frage auf, wie denn diese für Italien im doppelten Sinn katastrophalen Verträge genau aussehen, wer sie ausgehandelt hat und wer dafür wie entschädigt worden ist.
Dazu ist ausser im «Fatto Quotidiano» in der italienischen Presse verdächtig wenig zu lesen. Vermutlich deshalb, weil fast alle Parteien in dieser Sache Dreck am Stecken haben. Auch die Lega, die sonst alle populären Anliegen unterstützt, will von einer Verstaatlichung nichts wissen.
Warum niemand etwas von Verstaatlichung wissen will
Kein Wunder: Sie wird vom norditalienischen (Bau-)Gewerbe finanziert, das seinerseits stark mit den Autobahnbetreibern verbandelt ist. Auch die Finanzindustrie warnt: Italien würde es sich mit den globalen Investoren verderben, wenn es Verträge nicht einhält und damit Eigentumsrechte verletzt.
Davon liess sich offenbar auch der «Corriere della Sera» beeinflussen: Die neue Regierung müsse einen Mittelweg finden zwischen den berechtigten Interessen der Wähler und der globalen Investoren.