«Frauen sind normalerweise risikoscheuer», sagt Maxime Carmignac, Leiterin des Londoner Büros des gleichnamigen französischen Vermögensverwalters. In ihren Portfolios fänden sich in der Regel mehr Anleihen als Aktien, und im Durchschnitt tätigten sie weniger Transaktionen als Männer.
«Der Mangel an Wissen, Erfahrung und Vertrauen behindert den Einstieg von Frauen in die Welt der Geldanlage, obwohl Ersparnisse vorhanden sind», sagt auch Martina Müller-Kamp, Leiterin der Abteilung Marktdienstleistungen der Graubündner Kantonalbank. Die Expertin nennt als Beispiel die dritte Säule: 60 Prozent der Männer legen Geld an, während es bei den Frauen nur 40 Prozent sind.
Die Situation ändert sich jedoch langsam. «Frauen als Privatanlegerinnen übernehmen zunehmend Verantwortung in der Vermögensverwaltung und im Investmentbereich und kontrollieren derzeit ein Drittel der verwalteten Vermögen», sagt Cristina Catania, Seniorpartnerin bei McKinsey und Co-Leiterin des Segments Vermögensverwaltung und Wealth Management.
Bis 2030 soll laut dem Beratungsunternehmen der Anteil auf 45 Prozent steigen, bei einem erwarteten Gesamtvermögen von 10'000 Milliarden US-Dollar. Laut der Studie werden die Vermögen von Frauen in den kommenden Jahren schneller wachsen als die von Männern, was zum Teil auf ihre höhere Lebenserwartung zurückzuführen ist. Das durchschnittliche jährliche Wachstum der Vermögen von Frauen wird bis 2030 voraussichtlich 8,1 Prozent betragen, während es bei den Männern nur 2,7 Prozent beträgt.
Damit Frauen dieses Geld nun vermehrt anlegen, schiessen derzeit Produktangebote für «weibliches» Investieren wie Pilze aus dem Boden. Von frisch gegründeten Start-ups, die Coaching und personalisierte Produkte anbieten, bis hin zu den grossen Namen des Finanzplatzes: Die finanzielle Emanzipation der Frauen ist derzeit in aller Munde.
«Die Finanzdienstleister stellen sich teilweise auf diese Entwicklung ein, indem sie spezielle Angebote und Beratungen anbieten», sagt Catania. Da der Markt wächst, «sollten Vermögensverwalter ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse und Erwartungen von Frauen an den Schalthebeln der Macht entwickeln, ihre Strategien entsprechend anpassen und so zu einem gerechteren und integrativeren Investitionsumfeld beitragen.»
«Wir werden davon profitieren, wenn wir unsere Kommunikation gegenüber weiblichen Kunden verbessern», stimmt Müller-Kamp zu. «Frauen brauchen keine speziellen Produkte, die die Kluft zwischen den Geschlechtern noch vergrössern könnten, aber sie brauchen eine spezielle Ansprache.»
In den letzten vier Jahren hat die Graubündner Kantonalbank mehrere Initiativen in diesem Sinne gestartet: Networking, Webinare und Botschafterinnen sollen weibliche Kunden dazu ermutigen, sich mit Anlageprodukten auseinanderzusetzen. «Meine Botschaft ist: Man muss früh anfangen», sagt Müller-Kamp. (SDA)