Bradley Charles Birkenfeld (52) ist ein grosser, breitschultriger Mann mit akkurat gestutztem Bärtchen. Man sieht ihm den Amerikaner von weitem an. Am rechten Ringfinger steckt ein überdimensionierter Super-Bowl-Ring, am linken Handgelenk eine ebenso überdimensionierte Uhr der Schweizer Edelmarke Audemars Piguet: die T3 Terminator, die auch Arnold Schwarzenegger besitzt – und die Birkenfeld am 8. Januar 2010 ins US-Bundesgefängnis in Minersville (Pennsylvania) begleitete. Zuvor hatte er jahrelang für die UBS US-Kunden angeworben, sie und die Bank dann bei der US-Justiz angezeigt. Das gilt als der Anfang vom Ende des Schweizer Bankgeheimnisses. Sein Buch «Des Teufels Banker» ist jetzt auf Deutsch erschienen.
Wir treffen Sie in Berlin zur Präsentation Ihres Abrechnungs-Buches auf Deutsch. Haben Sie Angst, in die Schweiz zu kommen?
Bradley Birkenfeld: Nein, überhaupt nicht. Warum auch?
Weil Sie das Bankgeheimnis verletzten, die UBS mit ihren Kunden verrieten und viele Leute Sie dafür hassen, dass Sie das Schweizer Bankgeheimnis zu Fall brachten.
Ich habe kein Schweizer Gesetz gebrochen und ich habe kein Problem mit der Schweiz. Mein Problem ist die UBS.
Immer noch überzeugt, das Richtige getan zu haben?
Die Schweiz und ihre Bevölkerung können mir dankbar sein, dass ich das korrupte System zu Fall brachte. Ich erinnere daran: Wer musste die UBS retten, weil sie Unrechtes getan hatte und daran fast pleiteging? Die Schweizer Bürger mit ihrem Steuergeld! Und trotzdem macht die UBS weiter mit ihrem Fehlverhalten und bestreitet es sogar noch.
Viele Leute sehen in Ihnen dennoch einen Verräter und Kriminellen. Wann werden Sie in die Schweiz kommen?
Wenn mich jemand einlädt für einen öffentlichen Auftritt, komme ich sofort. Ich liebe die Schweiz! Ich würde der Schweizer Bevölkerung und den Politikern gerne erklären, was ich machte und warum ich Whistleblower wurde.
Sagen Sie's schon mal hier: Warum haben Sie die UBS und ihre Kunden angezeigt?
Ich hatte keine andere Wahl. Als ich intern auf Missstände hinwies und sagte, dass das, was wir taten, illegal sei, bekam ich von meinen Vorgesetzten keine Antwort. Monatelang. Das heisst: Die Chefs liessen Dinge geschehen, von denen sie wussten, dass sie nicht rechtens waren. Ohne die Verantwortung dafür zu übernehmen. Sie lassen ihre Untergebenen ins offene Messer laufen. Das geht nicht. Implizit hat das die UBS eingestanden, indem sie die Busse dafür bezahlte. Für uns Bürger heisst das doch nichts anderes als: Tu, was du willst – wenns illegal ist, bezahlst du halt eine Busse und kannst nachher weitermachen. Genau das machen die Banken, nicht nur die UBS, bis heute.
Sie sagten, das US-Justizsystem sei korrupt, weil Reiche und Politiker von Banken wie der UBS profitierten. Wird es mit Präsident Donald Trump besser?
Wenn Sie mein Buch lesen, wissen Sie, wie wenig ich von Hillary Clinton halte. Sie war im Bett mit der UBS und sorgte für diese lächerlich geringe Busse. Als Politikerin war sie vom System korrumpiert, und Trump ist eben kein Politiker, sondern Geschäftsmann. Obs mit ihm besser wird, werden wir noch sehen.
Sie schimpfen die USA ein korruptes System. Warum ist es dann falsch, wenn die Bürger ihr Geld vor einem korrupten Staat verstecken wollen?
Es ist ganz einfach gegen das Gesetz. Auch wenn das Gesetz falsch ist, geradezu lächerlich. Vom US-Steuersystem profitieren vor allem Anwälte und Berater, die fette Honorare kassieren fürs Ausfüllen von US-Steuererklärungen. Sie tun alles dafür, dass dieses System so kompliziert bleibt.
In der Schweiz ist, nicht zuletzt wegen Ihnen, das Bankgeheimnis gefallen. In den USA kann man in einzelnen Staaten wie Delaware, Nevada oder Florida immer noch Geld in undurchsichtigen Konstrukten verstecken und Steuern sparen. Stört Sie das nicht?
Doch, natürlich. Das stört mich ganz enorm, denn es ist falsch. Aber niemand tut was dagegen, weil die USA eben ein korruptes System sind.
Sie kritisieren, dass in den USA keine UBS-Manager ins Gefängnis kamen. Haben Sie Material, mit dem Sie diese Leute noch belasten können?
Ja, das gibts.
Was denn?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das Problem ist, dass die UBS bis heute stur bestreitet, überhaupt je Recht gebrochen zu haben.
Sie haben gerade Frankreichs Justiz bei deren Verfahren gegen die UBS unterstützt. Was haben Sie dort ausgesagt?
Darüber darf ich nicht reden, das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die UBS haben Sie 2005 verlassen, Ihre Informationen sind also zwölf Jahre alt. Welchen Wert kann so altes Material noch haben?
Ich habe auch neueres Material, von 2007 und 2008, das mir zugetragen wurde. Es geht auch nicht um einzelne Kunden oder Banker, sondern ums Muster. Ich kenne die Mechanik und kann sie den Ermittlern erklären. So kommen sie zu den konkreten Fällen.
Sie leben heute in Malta, einem Offshore-Steuerparadies. Bezahlen Sie überhaupt Steuern?
Natürlich, ich bin immer noch US-Bürger und muss den USA meine Steuern überweisen. Günstiges Steuerklima in Malta hin oder her.
104 Millionen Dollar Belohnung haben Sie erhalten dafür, dass die UBS zu 780 Millionen Dollar Busse verurteilt wurde. Was haben Sie mit dem Geld gemacht?
Zuerst: Ich habe nur 75’816’958 Dollar und 40 Cent erhalten, den Rest hat der Staat direkt als Steuer einbehalten. Ein Teil ging an meine Anwälte, die waren ziemlich happy (lacht)! Was übrig blieb, habe ich in Immobilien und Beteiligungen angelegt. Und in Kunst. Ich sammle mittelalterliche Scheiben in Bleifassung und Formel-1-Memorabilia. Ich bin sehr vorsichtig mit meinem Geld und investiere nicht an der Börse. Und ein UBS-Konto habe ich nicht mehr (lacht).
Persönlich
Bradley Charles Birkenfeld (52) ist in einer wohlhabenden Familie an der US-Ostküste aufgewachsen. Er absolvierte eine der ältesten Militärakademien der USA, schlug aber mangels Aussichten auf eine Ausbildung als Kampfjet-Pilot keine Armeekarriere ein und ging in die Finanzbranche. Nach diversen Bankjobs, unter anderem bei der Credit Suisse, heuerte er 2001 bei der UBS in Genf als Kundenberater im Rang eines Direktors an. 2005 verliess er die Bank, 2007 zeigte er sie bei der US-Justiz an. 2009 wurde er selber wegen Beihilfe zur Steuerflucht verurteilt, erhielt 2012 trotzdem 104 Millionen Dollar Belohnung für seine Hilfe, Steuersünder auszuliefern. Heute lebt Birkenfeld in Malta.
5 Fragen
Investieren Sie in Dollar oder Schweizer Franken?
Beides, plus Euro.
An einem freien Abend gehen Sie in die Oper oder zum Fussball?
Lieber zu einem Hockey-Match, ich spielte selber.
Wein oder Bier am Abend auf der Terrasse?
Beides.
Zum Abendessen Fisch oder Fleisch?
Fleisch.
In einer fremden Stadt fahren Sie Taxi oder Uber?
Uber.