Seit Mittwoch ist das Gremium nicht mehr handlungsfähig. Während Politiker, Analysten und Industrieverbände vor Handelskriegen warnten, hofft WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo auf einen Ruck durch den Schock: womöglich rüttele das die 164 Mitglieder auf, sich engagierter als vorher für Reformen einzusetzen.
Für jedes Berufungsverfahren sind drei von normalerweise sieben Richtern nötig. Am Veto der USA scheitert aber seit Jahren die Nachbesetzung des Gremiums. Am Dienstag um Mitternacht liefen die Mandate des Inders Ujal Singh Bhatia und des Amerikaners Thomas R. Graham aus. Verblieben ist die Chinesin Hong Zhao, die aber allein keine Berufungen anhören kann.
Die US-Regierung fordert Reformen des Berufungsgremiums und der WTO allgemein. Sie weigerte sich nach monatelangen Verhandlungen, eine Zwischenlösung zu akzeptieren, und die Streitschlichtung nicht zu schwächen.
Das Verfahren ist dazu da, dass Mitgliedsländer sich gegen ihrer Ansicht nach unfaire Handelshemmnisse anderer Länder wehren können. Rund 600 Fälle wurden seit Gründung der WTO 1995 zur Streitschlichtung angemeldet. Statt sich gegenseitig mit ruinösen Strafzöllen zu überziehen, haben Mitgliedsländer die WTO-Urteile akzeptiert und ihre Praktiken geändert oder dann erlaubte Strafzölle in Kauf genommen.
US-Präsident Donald Trump hat sich von diesem System bereits entfernt und eigenmächtig Strafzölle im Milliardenumfang gegen China, die EU und andere Handelspartner verhängt. Alle haben deshalb WTO-Streitschlichter eingeschaltet. Eine Verurteilung müssen die USA aber nicht fürchten, solange es keine Berufungsrichter gibt.
(SDA)