Rund 100 vermummte Hooligans stehen neben dem Gleis. Sie gehören zu den radikalen Fans des FC Zürich. Zwischen den beiden Zürcher Dörfern Kemptthal und Effretikon haben sie sich aufgestellt. Ihr Ziel: die Fans des FC Basel im Sonderzug. Draussen schreien die Hooligans, drinnen kocht die Stimmung heiss. Bis der Kragen platzt. Die Fanatiker ziehen die Notbremse, der Zug hält an. Knapp 100 Leute steigen aus, laufen über das Gleis und liefern sich eine Schlägerei mit den FCZ-Fans. Es dauert zwanzig Minuten, bis die Polizei eintrifft.
So geschehen im Frühling 2017. Der Fall zog seinerzeit weite Kreise. Die oberste SBB-Führung beschäftigte sich mit den Chaoten. Das Problem ist bis heute ungelöst. Die Kosten gehen in die Millionen. Am meisten schlagen die Sachbeschädigungen in den Waggons zu Buche. Auf dem Aufwand bleibt letztlich der Steuerzahler sitzen.
Nun zeigt ein neuer Zwischenfall: Auch der neue Bombardier-Zug ist anfällig für randalierende Chaoten. Vor wenigen Wochen kam es ein erstes Mal dazu. Und das, obschon die Züge nicht als Fan-Züge eingesetzt werden.
Sicherheitsfeature missbraucht
Die Hooligans missbrauchten eine Funktion, die eigentlich für mehr Sicherheit sorgen sollte. Und sorgten so dafür, dass die Türe blockiert war. Der Zug konnte den Bahnhof nicht verlassen. Die anderen Reisenden waren die Leidtragenden. Das Zugpersonal musste eingreifen, um ein Stillstehen zu verhindern.
Der Trick, den die Chaoten nutzten, ist ganz einfach. Bombardier-Schweiz-Chef Stéphane Wettstein (59) erklärte ihn gegenüber BLICK. Um keine Nachahmer zu provozieren, verzichtet BLICK darauf, weitere Details zu erzählen. Der Trick klappt jedenfalls nur bei den neuen Doppelstöckern. Die alte Flotte, die in der Regel für Fan-Züge herhalten muss, und die S-Bahn-Züge haben einen anderen Schliessmechanismus bei den Türen.
Es ist das jüngste Kapitel in der langen Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen beim Wackeldoppelstöcker von Bombardier. Der Prestigezug sollte eigentlich seit Ende 2013 rollen. Bislang sind aber erst 25 Kompositionen an die SBB übergeben. 62 sollen es bis Ende 2021 sein. Bombardier-Schweiz-Chef Stéphane Wettstein hält eisern daran fest.
Einfluss der Passagiere nimmt zu
Zur langen Wartezeit kommen Performance-Probleme. Die Züge schwanken derart stark, dass Kunden und Zugbegleiter über gesundheitliche Beschwerden klagen. Bombardier hat Besserung versprochen – und will Anfang November Neuigkeiten liefern.
Bombardier Schweiz plant die Informationsoffensive. Hierfür schaltete der Hersteller der Wackel-Doppelstöcker, kurz FV-Dosto, Mitte nächster Woche eine Website auf. Gemäss BLICK-Informationen geht es um aktuelle Zahlen, Daten und Verbesserungen zur Inverkehrsetzung seiner Züge auf dem SBB-Netz. Im Zentrum steht der sogenannte MDBI. Dieser Wert gibt Auskunft über die Betriebsstabilität für die mittlere Strecke (in Kilometern) zwischen zwei Störungen. Bombardier ist der Meinung, dass in der Öffentlichkeit gegenwärtig viel zu tiefe MDBI-Werte für den FV-Dosto herumgereicht werden. Darum will dieser nun aus erster Hand informieren – die Kommunikation über Fortschritte oder Verzögerungen nicht mehr allein dem Besteller SBB oder Fachpublikationen wie der «Eisenbahn-Revue» überlassen. Weiter sollen auf der geplanten Internetseite Hintergrundinfos zur Verfügung stehen. Der neue Webauftritt richtet sich an ÖV-Nutzer, Pendler und Reisende der Bundesbahnen. Ulrich Rotzinger
Bombardier Schweiz plant die Informationsoffensive. Hierfür schaltete der Hersteller der Wackel-Doppelstöcker, kurz FV-Dosto, Mitte nächster Woche eine Website auf. Gemäss BLICK-Informationen geht es um aktuelle Zahlen, Daten und Verbesserungen zur Inverkehrsetzung seiner Züge auf dem SBB-Netz. Im Zentrum steht der sogenannte MDBI. Dieser Wert gibt Auskunft über die Betriebsstabilität für die mittlere Strecke (in Kilometern) zwischen zwei Störungen. Bombardier ist der Meinung, dass in der Öffentlichkeit gegenwärtig viel zu tiefe MDBI-Werte für den FV-Dosto herumgereicht werden. Darum will dieser nun aus erster Hand informieren – die Kommunikation über Fortschritte oder Verzögerungen nicht mehr allein dem Besteller SBB oder Fachpublikationen wie der «Eisenbahn-Revue» überlassen. Weiter sollen auf der geplanten Internetseite Hintergrundinfos zur Verfügung stehen. Der neue Webauftritt richtet sich an ÖV-Nutzer, Pendler und Reisende der Bundesbahnen. Ulrich Rotzinger
Dann soll es auch ein Update geben zur Pannenstatistik. Anfang Jahr rollten die neuen Bombardier-Züge keine 1000 Kilometer bis zum ersten Störfall. Das entspricht nicht einmal der Strecke Zürich–Wien retour. Zum Vergleich: Im Durchschnitt haben SBB-Personenzüge alle 11’000 Kilometer eine Panne. Die SBB-Mindestvorgabe im Intercity-Verkehr sind 8000 pannenfreie Bahnkilometer.
Immerhin: Die Situation bessert sich. Im September stieg der Wert auf 3900 Kilometer. Und in der letzten Woche waren es gar 7000 Kilometer, wie ein SBB-Sprecher sagt. Nur noch ein Drittel aller Fehler ist technikbedingt. Der Rest geht zurück auf Bedienfehler und Passagiere. Wenn die Chaoten davon absehen, den Zug massenweise lahmzulegen, gibt es für die Bombardier-Geschichte also Licht am Ende des Tunnels.