3,15 Milliarden für Konzerne?
Deutschland gewährt Tankrabatt – Benzinpreise steigen trotzdem

Nach einem Medienbericht plant der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck eine deutliche Verschärfung des Kartellrechts. Damit soll der Staat Gewinne von Mineralölkonzernen auch ohne einen Nachweis von Marktmissbrauch abschöpfen dürfen.
Publiziert: 12.06.2022 um 16:54 Uhr
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Aktualisiert: 13.06.2022 um 07:39 Uhr
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Einschränkung der Marktmacht: Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck nimmt die Mineralölkonzerne ins Visier.
Foto: TOBIAS SCHWARZ

Der Unmut über die anhaltend hohen Treibstoffpreise trotz des Tankrabatts ruft Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf den Plan. Er will zügig die Befugnisse des Bundeskartellamts erweitern, um unter anderem die Abschöpfung wettbewerbswidriger Gewinne zu erleichtern, wie aus einem Ministeriumspapier hervorgeht, das am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Die hohen Spritpreise sorgen derweil für Ärger bis ins Bundespräsidialamt hinein.

Beim Tankrabatt handelt es sich um eine seit 1. Juni geltende, dreimonatige Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe. Nach einem spürbaren Rückgang unmittelbar nach Inkrafttreten des Tankrabatts waren die Preise an den Tankstellen nach Angaben des ADAC zuletzt aber täglich wieder gestiegen. Kosten des Programms: happige 3,15 Milliarden Euro!

Abstand zwischen Rohöl- und Tankstellenpreisen wächst

«Die ersten Datensätze des Bundeskartellamts zum Tankrabatt zeigen, dass die Abstände zwischen Rohöl- und Tankstellenpreisen seit Monatsbeginn stark gestiegen sind», sagte Habeck dem «Spiegel». Offenkundig sei «das eingetreten, wovor viele Experten gewarnt hatten: Die Mineralölkonzerne streichen den Profit ein, die Verbraucherinnen und Verbraucher merken nichts von der Steuersenkung».

Die Branche weist die Vorwürfe zurück. Der Sprecher des Mineralöl-Lobbyverbands Fuels und Energy, Alexander von Gersdorff, sagte der «Welt am Sonntag», die Beschaffungskosten für Benzin und Diesel seien stark gestiegen. Die Energiesteuersenkung komme deshalb «nur auf den ersten Blick nicht beim Kunden an» – ohne den Tankrabatt würde der Preis noch höher liegen.

Es läuft bereits eine Untersuchung

Habeck aber sieht Handlungsbedarf. Die für dieses Jahr angestrebte Änderung des Gesetzes könne zwar «nicht kurzfristig in der aktuellen Situation wirken», räumt das Ministerium in dem Positionspapier ein, über das zuerst der «Spiegel» berichtet hatte. Der Staat könne dadurch aber «zukünftig besser» eingreifen. Für die aktuelle Problematik verweist das Papier auf die bereits laufende Untersuchung des Bundeskartellamts.

Dem vierseitigen Konzept zufolge sollen künftig unter anderem die Hürden für die kartellrechtliche Vorteilsabschöpfung gesenkt werden. So soll es einfacher für das Kartellamt werden, Gewinne einzuziehen, die aus wettbewerbswidrigem Verhalten resultieren. In dem Papier wird betont, dass es sich «nicht um ein steuerrechtliches Instrument» handele – dies kann als implizite Absage an die sogenannte Übergewinnsteuer verstanden werden, die unter anderem von Grünen-Politikern gefordert wird.

Starke Konzentration auf dem Mineralölmarkt

Die Gesetzesnovelle soll laut dem Ministeriumspapier zudem eine «missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit» schaffen. Damit könnten grosse Mineralölkonzerne etwa zum Verkauf einzelner Geschäftsteile gezwungen werden – selbst wenn keine wettbewerbswidrigen Zusammenschlüsse festgestellt werden konnten. Eine solche Entflechtung könne allerdings «nur als Ultima Ratio» eingesetzt werden, heisst es in dem Papier.

Hintergrund ist die starke Konzentration auf dem Mineralölmarkt in Deutschland. «Von der Ölförderung über Transport und Raffinerie bis hin zur Tankstelle – die komplette Marktmacht liegt in der Hand weniger», heisst es in dem Ministeriumspapier. Weil die Tankstellenpreise zugleich sehr transparent nachvollziehbar seien, reagierten die Betreiber umgehend auf die Konkurrenz – «auch ohne eine kartellrechtswidrige Absprache werden die Preise sehr schnell einander angeglichen».

Kritik an der aktuellen Preispolitik kam am Wochenende auch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. «Ich verstehe den Unmut der Bürger, wenn sich viele einschränken müssen und manche Extragewinne einfahren. Den Ärger müssen wir ernst nehmen», sagte er der «Bild am Sonntag». Es sei wichtig, «dass wir dafür sorgen, dass nicht einige ungerechtfertigt Vorteile aus der Situation ziehen können». (AFP/noo)

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