Alfred Huwiler (75) ist den Tränen nahe: Seit einer missglückten Operation ist seine Frau Margrit (87) schwerstdement. Sie braucht rund um die Uhr Pflege und Betreuung. «Die Ärzte haben ihr Hirn verletzt», sagt Huwiler. «Drei Jahre lang pflegte ich sie zu Hause. Bis ich nicht mehr konnte.» Der frühere Bankangestellte aus dem aargauischen Sins entschied sich schweren Herzens, seine Frau ins Pflegezentrum «Ättenbühl» zu geben. Dafür bezahlt er 5200 Franken pro Monat. Doch das ist nur ein Teil der tatsächlichen Kosten. Den Rest teilen sich Gemeinde und Krankenkasse.
Weil wir in der Schweiz immer älter werden und weltweit die höchste Lebenserwartung haben, gehen auch die Pflegekosten durch die Decke: 9,5 Milliarden Franken betrugen 2014 die Gesamtkosten für Pflegeleistungen in Heimen. Bis 2030 werden sie sich nochmals verdoppeln. Dann sind knapp eine Million Menschen in der Schweiz über 80 Jahre alt. Schon heute ist jeder siebte 80-Jährige ein Pflegefall.
Die Frage stellt sich: Wer soll das bloss bezahlen? Die Finanzierung der Pflege stützt sich auf drei Säulen: Beiträge von den Krankenkassen, Beiträge der öffentlichen Hand und – falls möglich – Kostenbeiträge der Pflegebedürftigen selbst. Anders sieht es bei der Betreuung aus: Ohne Pflegezusatzversicherung gehen diese Auslagen, wie zum Beispiel die Wohnkosten, voll zulasten der Betroffenen. Und wer vor dem Heimeintritt noch ein Haus oder Vermögen besitzt, muss dieses für seine Pflege hergeben. So will es das Gesetz.
Aber: Schon heute können viele Heimbewohnerinnen und -bewohner ihren Beitrag nicht bezahlen. Die Folge: Sie brauchen Ergänzungsleistungen. Für die Zuger Nachhaltigkeitsfachfrau Susanna Fassbind (72) ist das keine Überraschung: «Wie soll jemand, der nur 2200 Franken AHV-Rente bezieht, 8000 Franken für seinen Heimplatz bezahlen?»
Schon jeder sechste Rentner ist auf Ergänzungsleistungen angewiesen! Für viele Gemeinden ist das der finanzielle GAU. In mindestens zehn Kantonen tragen diese sowohl die Last der Pflegekosten als auch jene der Ergänzungsleistungen. Der Stadt Zürich bescherte dies letztes Jahr Mehrkosten von zehn Millionen Franken. Die Pflegefinanzierung sei mangelhaft, sagt die Gesundheitspolitikerin und frühere Ständerätin Christine Egerszegi (67) zu SonntagsBlick: «Es wird diskutiert, was Pflege und was Betreuung ist. Doch die Finanzierung der Restkosten ist noch ungelöst.» Jetzt muss der Bundesrat über die Bücher. In den kommenden Wochen berät er über die Einführung einer obligatorischen Pflegeversicherung.
Doch für die Gemeinden bleibt die Situation prekär: Hohe Sozialkosten bedeuten höhere Steuern. Im Kanton Zürich haben 2015 ein Viertel aller Gemeinden ihre Steuerfüsse erhöht. Jörg Kündig, Vorsteher des Zürcher Gemeindepräsidentenverbands, sagt, was kaum jemand zugeben will: «Die Steuererhöhungen stehen auch in Verbindung mit den dramatisch steigenden Pflegekosten.» Dort, wo nicht mehr weiter an der Steuerschraube gedreht werden kann, wird fusioniert.
Jüngstes Beispiel:
Kyburg mit der Stadt Illnau-Effretikon. Aber auch im Kanton Schaffhausen und in Graubünden kam es deswegen zu vielen Gemeinde-Hochzeiten.
Tiefer in die Tasche greifen müssen auch die Bürger von Sins. Die Pflegekosten werden für die 5000-Seelengemeinde immer mehr zur Hypothek. Deshalb sollen die Steuern um satte drei Prozent erhöht werden. Alfred Huwiler bezahlt den Heimaufenthalt seiner Frau noch über sein Erspartes. «Wir wollen niemandem zur Last fallen.» Seine Margrit besucht er, so oft er kann. Gestern schenkte sie ihm seit langer Zeit wieder ein Lächeln. «Als ich ging, waren ihre Augen leer. Das tat mir weh.»
In den kommenden Wochen befasst sich der Bundesrat mit der Einführung einer obligatorischen Pflegeversicherung. Damit sollen die exorbitanten Ergänzungsleistungen (4,5 Milliarden Franken im Jahr 2013) gesenkt werden. Für die Finanzierung dieser Versicherung gibt es zwei Varianten: Über ein Umlageverfahren soll die Bevölkerung die Kosten von Pflegebedürftigen decken. Die andere Möglichkeit: Das Kapitaldeckungsverfahren. Ähnlich wie bei der AHV bezahlt jeder gezielt Kapital für die Deckung späterer Pflegekosten. Dass der Bundesrat über die Schaffung eines weiteren Sozialwerks nachdenkt, zeigt, wie alarmierend die Situation zur Finanzierung der Langzeitpflege ist.
In den kommenden Wochen befasst sich der Bundesrat mit der Einführung einer obligatorischen Pflegeversicherung. Damit sollen die exorbitanten Ergänzungsleistungen (4,5 Milliarden Franken im Jahr 2013) gesenkt werden. Für die Finanzierung dieser Versicherung gibt es zwei Varianten: Über ein Umlageverfahren soll die Bevölkerung die Kosten von Pflegebedürftigen decken. Die andere Möglichkeit: Das Kapitaldeckungsverfahren. Ähnlich wie bei der AHV bezahlt jeder gezielt Kapital für die Deckung späterer Pflegekosten. Dass der Bundesrat über die Schaffung eines weiteren Sozialwerks nachdenkt, zeigt, wie alarmierend die Situation zur Finanzierung der Langzeitpflege ist.