Der erste Covid-19-Patient Deutschlands verbrachte die Zeit bis zu seiner Genesung in einem Münchner Krankenhaus angeblich mit dem Zusammensetzen eines Puzzles aus 1000 Teilen.
Das war Anfang März – seither ist viel passiert. Ein Grossteil der Menschen verbringt die Tage inzwischen in der Selbstisolation und sucht nach Ablenkung. Auf Amazon wird «Puzzle» als Suchbegriff in etwa so oft eingegeben wie «Paracetamol». Die Nachfrage nach dieser Art von Spiel explodiert.
Eigentlich seltsam. Denn die Beliebtheit der zerschnittenen Kartonbilder, die bereits vor der Corona-Krise zu steigen begann, führte man bisher auf das Bedürfnis des durchdigitalisierten Individuums auf Entschleunigung zurück. Auf die Sehnsucht, aus dem alltäglichen «Hamsterrad» auszubrechen.
Jetzt, wo wir förmlich dazu gezwungen sind, einen Gang runterzuschalten, muss die Lust aufs «Pöseln», wie die Schweizer es nennen, also woanders herkommen. Vielleicht geht es darum, dass wir eine Welt, die auseinanderfällt, auf einem Tisch in unserer Wohnung wieder in Ordnung bringen wollen.
Tipps und Fun-Facts rund ums Puzzeln – für Profis und Anfänger:
«Puzzle» kommt von «verdutzt»
Wenn jemand im englischen Sprachraum «puzzled» ist, ist er verdutzt. Amerikaner und Engländer schieben vor «Puzzle» – dem Spiel – oft noch das Wort «Jigsaw» – Laubsäge. Ein Werkzeug, das zur Herstellung von Holzversionen dient und dank der Horrorfilmreihe «Saw» zweifelhafte Berühmtheit erlangte.
Auch Promis tun es
«I am not stupid», sagte Ellen DeGeneres (62) nach mehreren Versuchen, ein Puzzle mit 4000 Teilen zusammenzusetzen. «Ich bin doch nicht blöd!» Die kalifornische Talkmasterin liess sich während der Quarantäne in Los Angeles in ihrer Villa von ihrer Ehefrau filmen und stellte die Videos auf Instagram. Irgendwann gab sie entnervt auf. Pro Teil rechnet man eine Minute Zeit – für 4000 Teile hätte DeGeneres rund 66 Stunden gebraucht. Die gängigste Grösse für Erwachsene sind 1000er-Puzzles. Sie sind in rund 16 Stunden zusammensetzbar.
Das sind die Bestseller
Die verpassten Ferien scheinen sich im Kaufverhalten bemerkbar zu machen. So gehören zu den meistbestellten Puzzles bei Brack «Stimmungsvolles London», «Fahrräder in Amsterdam» oder «Blick auf Cinque Terre». Auch tendenziell kitschige Fantasy-Zeichnungen mit fluoreszierenden Effekten wie «Leuchtender Wolf» boomen. Der Schweiz Onlineshop Galaxus sind Disney-Figuren wie die Eisprinzessin Elsa aus der «Frozen»-Reihe hoch im Kurs – genauso wie Weltkarten, Landschaftsbilder und Star-Wars-Motive. Der Onlineshop Cede.ch aus Winterthur zählt Motive mit Album-Covern von den Beatles («Abbey Road») und Iron Maiden («The Number of the Beast») zu seinen Bestsellern.
Junge bestellen am häufigsten
Galaxus verkauft laut eigenen Angaben aktuell sechsmal so viele Puzzles wie im Frühjahr 2019. Die grösste Käufergruppe ist die der 25- bis 34-Jährigen, gefolgt von den 35- bis 44- und den 45- bis 54-Jährigen. Auch bei Brack spricht man von einer massiv steigenden Nachfrage nach Puzzles seit Beginn des Notstands.
Der europäische Marktleader räumt ab
Bereits im Jahr 2019 verkaufte die deutsche Firma Ravensburger zwanzig Prozent mehr Puzzles als gewöhnlich. Insgesamt waren es 21 Millionen Stück. Seit Beginn der Krise laufe das Geschäft in etwa so gut wie zur Weihnachtszeit, sagt Rolf Burri, Geschäftsführer der Schweizer Niederlassung in Würenlos AG. Zu den beliebtesten Modellen der Schweiz gehören das Puzzle mit der Landeskarte oder mit einem Foto der Patrouille-Suisse-Flieger, die vor dem Matterhorn vorbeiziehen. Ravensburger-Puzzles werden in Deutschland und Tschechien produziert. Werkzeugbauer fertigen die Schneidemesser an – vergleichbar mit Ausstechformen für Guetsliteig. Weil sie das von Hand tun, hat kein Teil innerhalb eines Puzzle-Spiels dieselbe Form. Burri: «Puzzle-Fans setzen das voraus.»
Emiratis lieben Puzzles
Beat Liechti führt im Zürcher Oberdorf seit dreissig Jahren den Spieleladen «Rien ne va plus». Seine Spezialität sind unter anderem Puzzles mit Mordillo-Comics oder mit Retro-Motiven der britischen Traditionsmarke Gibsons. Seine Stammkundschaft sei grösstenteils über 60 Jahre alt, sagt Liechti. Oder bestehe aus Touristen – viele von ihnen aus arabischen Ländern. «In Dubai scheint es keine Puzzle-Shops zu geben.» Seit dem Lockdown versucht er schweizweit so gut wie möglich per Post zu liefern. Bestellungen können telefonisch aufgegeben werden – Beratung ist inklusive. «Je nach Distanz bringe ich die Ware auch mit dem Tram vorbei.»
So puzzeln die Profis
Er sortiere die Teile zuerst nach Farben in Schüsseln, sagt Günther Simetsberger (52) in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung». Der Österreicher ist Gründer des Wettbewerbs «World Puzzle Days», bei dem Profis in sechzig Tagen bei sich zu Hause möglichst viele Teile verbauen müssen. Bei der Ausgabe von Anfang Jahr gewann eine Niederländerin, die 103'994 Teile zu 93 Motiven zusammensetzte. Weil der Fortschritt bei grossen Puzzles von blossem Auge schlecht erkennbar ist, zählen Profis jedes Teil, das sie verbauen, mit einem Handzähler, wie ihn Flugbegleiter zum Zählen von Passagieren verwenden.
Als Lehrmittel erfunden
Das erste Puzzle kreierte im Jahr 1766 der britische Kartograf und Kupferstecher John Spilsbury, indem er eine Karte auf eine Holzplatte klebte und einzelne Länder aussägte. Schüler konnten so ihre Geografiekenntnisse testen. Heute gibt es Puzzles in allen Varianten: dreidimensional mit dickwandigen Teilen, zweidimensional mit den Konturen des abgebildeten Motivs, kugelförmig, magnetisch. Am beliebtesten sind jedoch bis heute die klassischen, zweidimensionalen Modelle.
Auch Masochisten kommen auf ihre Kosten
Es gibt unifarbene Puzzles, bei der die Form der Teile als einzige Orientierung dient. Wer noch mehr leiden möchte, kann sich von Online-Anbietern Puzzles ohne Motivvorlage schicken lassen. Handelt es sich um eine Herde Elefanten, ein Nashorn mit seinem Jungen oder um einen Stegosaurus? Alleine der Gedanke daran, es herausfinden zu müssen, zermürbt. Genauso gemein: Anbieter, die zwei Puzzles miteinander vermischen. Am gemeinsten: Spiele, bei denen manche Teile absichtlich nirgendwo hinpassen.
Kein Wald für Anfänger
Es gibt zwar Menschen, die darauf schwören, ein Puzzle von einer Ecke aus zu bauen. Am gängigsten ist jedoch die Technik «Rand first», bei der von aussen nach innen gearbeitet wird. Anfänger wählen am besten ein Modell aus, auf dem möglichst viel los ist. Schwierig sind Wälder, Flächen in derselben Farbe und Gemälde, bei denen die Umrisse verschwimmen.
Das Haustier kann verewigt werden
Labrador Senta zum Zusammensetzen? Kein Problem. Für wenig Geld lassen sich eigene Fotos online als Puzzle bestellen. Bei der Herstellung kommt ein Laser zum Einsatz, alle Teile haben dieselbe Form. Victoria’s-Secret-Model Sara Sampaio (28) postete ein Bild aus der Selbstisolation, das sie mit einem 1000-teiligen Puzzle ihrer Hunde Kyta und South zeigt.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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