Apple droht wegen der Abschottung seines Bezahldienstes Apple Pay eine hohe Wettbewerbsstrafe der EU. Nach dem vorläufigen Ergebnis von Untersuchungen der EU-Kommission missbraucht das amerikanische Technologieunternehmen seine Marktmacht, indem es auf seinen mobilen Geräten wie dem iPhone den Zugang zu einer Standardtechnologie für kontaktlose Zahlungen einschränkt.
Dies wäre ein Verstoss gegen die Wettbewerbsvorschriften der EU, erklärte die zuständige Vizepräsidentin Margrethe Vestager. Mit der Übergabe einer Mitteilung von Beschwerdepunkten an Apple leitete die Dänin am Montag die nächste Stufe eines EU-Wettbewerbsverfahrens ein, das bereits das zweite grosse gegen den US-Konzern ist. Apple kann nun auf die Vorwürfe antworten und versuchen, sie mit Änderungen auszuräumen. Bleiben die Wettbewerbshüter danach bei ihrer Einschätzung, könnte auf den Konzern eine hohe Strafzahlung zukommen.
Banken kritisieren Apple
Über die mögliche Höhe wollte Vestager am Montag nicht spekulieren. Sie machte lediglich deutlich, dass dabei Apples Umsatz mit dem Bezahldienst Grundlage sein dürfte. Theoretisch riskieren Unternehmen Geldbussen in Höhe von bis zu zehn Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes, wenn sie gegen die Wettbewerbsvorschriften der EU verstossen. Bei Apple lag er zuletzt bei 365,8 Milliarden Dollar (aktuell 347,5 Mrd. Euro).
Konkret wirft die Kommission Apple vor, die Konkurrenz im Bereich mobiler Geldbörsen zielgerichtet zu behindern. Wenn etwa Banken ihre Karten in die digitale Geldbörse auf dem iPhone - «Wallet» genannt - einbringen wollen, geht das nur über eine Integration mit Apple Pay. Auch konkurrierende Anbieter von Geldbörsen bekommen auf dem iPhone keinen Fuss in die Tür.
Banken kritisieren vor allem, dass sie nicht an Apple vorbei auf den NFC-Funkchip zugreifen können, über den man das Telefon an der Ladenkasse statt einer Bankkarte einsetzen kann.
Höheres Sicherheitsrisiko
Apple Pay ist der einzige Weg, um auf iPhones Zugriff auf den NFC-Chip zu bekommen. Wenn Banken oder andere Unternehmen auf dem iPhone eine Bezahllösung in Eigenregie ohne Apple Pay anbieten wollen, müssen sie auf umständlichere Datenübertragungsmethoden wie das Einlesen von QR-Codes ausweichen. Der Zugriff auf die NFC-Antenne läuft technisch über einen gesonderten Sicherheitschip, die sogenannte «Secure Enclave», in der Apple auch andere besonders schützenswerte Daten wie Passwörter absichert.
Apple sieht sein Vorgehen als Lösung, um Sicherheit und Datenschutz bei den Zahlungen zu gewährleisten und versichert, dass jeder, der Zugang zu Apple Pay wolle, ihn auch bekomme. Vestager entgegnete am Montag hingegen, die bisherigen Ermittlungen hätten keine Hinweise darauf ergeben, dass der Zugriff Dritter auf den NFC-Chip ein höheres Sicherheitsrisiko mit sich bringe. Apples Verhalten verhindere Innovationen und Wettbewerb.
Der iPhone-Konzern betonte in einer ersten Reaktion auf die Brüsseler Entscheidung, dass Apple Pay nur eine von vielen Bezahlmöglichkeiten für europäische Verbraucher sei, allen den gleichen Zugang zum NFC-Chip gewähre und Massstäbe bei der Sicherheit setze.
Unfairer Wettbewerb im Shop
Das Verfahren wegen Apple Pay ist bereits das zweite grosse gegen den Tech-Konzern, das nun in der Schlussphase ist. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Kommission Apple offiziell unfairen Wettbewerb in seinem App-Store auf iPhone und iPad vorgeworfen. Apple benachteiligt demnach andere Anbieter von Musikstreaming-Apps und muss auch deswegen ein Strafe fürchten.
In beiden Fällen geht es auch um die Grundsatzfrage, wie weit Apple seine Plattformen für die Konkurrenz öffnen muss. Die Antwort darauf hängt im Kern davon ab, ob man das iPhone-Ökosystem als einen eigenen Markt betrachtet - dann könnte man Apple als einen Monopolisten einschätzen, der seine Plattformen für Konkurrenten öffnen muss. Aus Sicht des Konzerns muss man Apple dagegen als nur einen Player in grösseren Märkten bewerten, womit er grösseren Spielraum für die Gestaltung des Geschäfts auf seinen Plattform hätte.
Vestager machte am Montag deutlich, dass sie grosse Hoffnungen auf die jüngste Einigung auf ein Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act/DMA) setzt. Das Gesetz werde besonders grosse und mächtige Unternehmen - sogenannte Gatekeeper - dazu verpflichten, die Interoperabilität mit Soft- und Hardware sicherzustellen, die sie selbst in ihrem System nutzen, sagte sie. «Dazu gehört auch der Zugang zu NFC für mobile Zahlungen.» (pbe/SDA)