Es stehen Iglus auf dem Parkplatz der Parsenn-Bahn in Davos. In ihnen hausen Globalisierungsgegner. Stimmung gegen die Wirtschaftselite am Weltwirtschaftsforum (WEF) machen sie mit Ballons und Transparenten, auf denen «Occupy WEF» steht. Keine Gewalt, keine Vermummten - nichts!
Doch das Ganze ist nur ein Rückblick ins Jahr 2012. Heute stehen auf dem Parkplatz der Parsenn-Bahn nur noch Autos und Cars.
Die Grünen Davos haben aufgegeben
Generell ist es um das WEF seit Langem ruhig geworden. Die Demos, die üblicherweise von den Grünen in Davos organisiert wurden, hatten in den Jahren 2013 und 2014 nur noch um die 30 Teilnehmer. Seit 2015 organisiert die Partei gar keine Demos mehr.
Anführer der damaligen Iglubauer im 2012 war David Roth (30). Er war zu jener Zeit Juso-Präsident und führte die jungen Globalisierungsgegner an.
«Das ist ein reiner Polizeistaat da oben»
Dass heute keine Demos mehr in Davos stattfinden, erklärt er sich durch die strikten Sicherheitsvorkehrungen: «Die Sicherheitsmassnahmen, die mittlerweile getroffen werden, sind schikanös. Unter diesen Umständen kann man da oben einfach keine Demos mehr auf die Beine stellen. Die demokratischen Rechte werden ausgehebelt.»
Schon damals seien es nur sehr wenige Leute gewesen, die gleichzeitig im Iglu-Camp demonstrierten. Und trotzdem seien die Massnahmen sehr repressiv gewesen, sagt Roth. «Menschen wurden nackt ausgezogen bei Minustemperaturen und kontrolliert. Der Rechststaat wird ausgehebelt. Putin wäre begeistert.»
Politischer Prozess statt Demo
Der damalige Davoser Gemeindepräsident Hans Peter Michel habe noch das Demonstrationsrecht hoch gehalten, sagt Roth. «Heute unterstützt leider niemand von offizieller Seite mehr die Demonstrationen.»
Die Juso ist dieses Jahr nicht in Davos zu sehen. Die Jungpartei sei mit dem Abstimmungskampf um die eigene Spekulationsstopp-Initative beschäftigt, erklärt Roth. Es scheint also, dass die einstigen Demonstranten ihre Anliegen neu über den politischen Prozess einbringen.
Nur vorübergehend eingeschlafen?
Der Basler Soziologie-Professor Ueli Mäder (64) glaubt, viele Demonstranten hätten sich mehr in ihren inneren Kreis zurückgezogen: «Es war schon immer so, dass es öffentliche Demos mal mehr mal weniger gab. Das heisst aber nicht, dass sich die Menschen aufhören mit den Problemen auseinanderzusetzen.»
Mäder glaubt, dass die Demonstrationen teilweise andere Formen angenommen haben. Er verweist etwa auf öffentliche Vorträge und Veranstaltungen, die sich mit Themen wie Globalisierung und Kapitalismus auseinandersetzen. «Ich hoffe aber, dass die Menschen früher oder später auch wieder sinnlich wahrnehmbar auf Strassen und Plätzen ihre Meinung kundgeben», so Mäder.
Globalisierung auch als Chance
Dass sich die Menschen mit den Folgen der Globalisierung «abgefunden» haben, mag der Soziologie-Professor nicht glauben. Sie sähen sie heute einfach differenzierter: «Viele kritisieren zwar die einseitig wirtschaftliche Globlisierung. Sie sehen aber auch Chancen einer Horizontöffnung und wollen sich politisch, kulturell und sozial mit der Welt verbinden.»