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Interview mit Adecco-Konzernchef Alain Dehaze am WEF
«Es wird auch in Zukunft genug Jobs geben»

«Globalisierung 4.0» lautet das Motto des diesjährigen WEF. Für jeden Einzelnen geht es vor allem um eine Frage: Was passiert mit meinem Job? BLICK hat den Chef des grössten Personaldienstleisters der Welt getroffen.
Publiziert: 23.01.2019 um 23:21 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2019 um 10:28 Uhr
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Fordert, dass in den Schulen weniger Fachwissen gebüffelt und mehr Sozialkompetenzen beigebracht werden: Adecco-Chef Alain Dehaze.
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Christian Dorer

BLICK: Herr Dehaze, ich arbeite als Journalist und, einmal pro Monat, als Buschauffeur. Welcher Beruf wird länger überleben?
Alain Dehaze: Chauffeur (lacht)! Das selbstfahrende Auto ist zwar in aller Munde. Es wird aber noch sehr lange dauern, bis es keinen Menschen mehr am Steuer braucht.

Und die Journalisten?
Auch sie werden nicht verschwinden, jedoch wird sich ihr Beruf dank des technologischen Fortschritts stark verändern. Der Journalist kann sich künftig auf seine Kernaufgaben konzentrieren, die Kreativität, die kritische Betrachtung und Einordnung von Fakten. Diese Fähigkeiten haben Roboter oder künstliche Intelligenz nicht. Diese menschlichen Qualitäten sind enorm wichtig und werden es auch bleiben.

Was empfehlen Sie einem Jugendlichen: Lernen, wozu er Lust hat, oder bewusst einen Beruf mit Zukunft?
Leidenschaft für die Tätigkeit ist wichtig, und auch der Sinn der Arbeit. Allerdings ist es essenziell, sich sowohl Wissen als auch soziale Kompetenzen anzueignen. Fachwissen, Problemlösung, Kreativität und Empathie sind notwendig, um sich selbst zu verwirklichen – egal, in welchem Tätigkeitsfeld. 

Kann man soziale Kompetenzen lernen?
Ja. Bloss ist unser Schulsystem leider nicht darauf ausgerichtet. Da wird noch zu viel auf Fachwissen fokussiert und zu wenig auf soziale Kompetenzen. Dabei ist die Welt eine andere: Früher hat man 15 Jahre lang gelernt, danach 45 Jahre lang gearbeitet. Das funktioniert heute nicht mehr. Lebenslanges Lernen ist die Norm, damit sind Anpassungsfähigkeit und Teamarbeit wichtiger als Fachwissen.

Warum?
Die technologischen Veränderungen erfolgen immer schneller. Innerhalb von vier Jahren verlieren wir 30 Prozent unseres Fachwissens. Das heisst: Innert zwölf Jahren müssen wir uns komplett neu erfinden. Deshalb braucht es lebenslanges Lernen, ständige Weiterbildung.

Viele Firmen aber entlassen ihre Angestellten mit den alten Fähigkeiten und stellen neue ein.
Unternehmen müssen umdenken. Mehr in Fort- und Weiterbildungen investieren. Die ABB hat berechnet, dass eine Entlassung rund 100’000 Franken kosten kann, eine Umschulung lediglich ein Drittel davon.

Was braucht es, damit die Arbeitnehmer fit für den Arbeitsmarkt bleiben?
Das schweizerische Drei-Säulen-System sollte um eine vierte Säule ergänzt werden. Hier sollen Arbeitgeber und Angestellte steuerbefreit je gleich viel einzahlen, um damit Fort- und Weiterbildung zu finanzieren. Genau gleich, wie wir das schon heute für die Rente machen. Ein persönliches und mobiles Lernkonto.

Wird jeder den Wandel in die digitale Zukunft schaffen?
Hochqualifizierte Leute werden voraussichtlich kaum Probleme haben. Ebenso wenig Personen mit geringeren Qualifikationen, aber mit hoher Sozialkompetenz. Investieren müssen wir vor allem in Personen, die überwiegend hochrepetitive Arbeiten erledigen.

Man macht nicht aus jedem einen Informatiker.
Das muss man auch nicht. Schauen wir zurück: 1900 waren 40 Prozent der amerikanischen Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, heute sind es noch zwei Prozent, und das bei tieferer Arbeitslosigkeit. Es wird auch in Zukunft genug Jobs gegeben. Wichtig ist, diesen Übergang sozialverträglich zu gestalten.

Die grossen Verlierer sind immer die über 50-Jährigen. Warum will sie niemand mehr anstellen?
Diese Beobachtung machen wir so nicht. In der Schweiz haben wir einen grossen Fachkräftemangel in technischen Berufen, egal welchen Alters. Nicht optimal ist, dass die Sozialabgaben für 50 plus höher sind. Diese anzupassen, wäre ein wichtiger erster Schritt. Ausserdem sollte die Einstellung zur Weiterbildung in der Schweiz geändert werden: Ab dem 35. Lebensjahr bilden sich in der Schweiz viel weniger Leute weiter als vorher – hier müssen wir umdenken.

Die Gewerkschaft fordert Kündigungsschutz für über 50-Jährige.
Regulierung ist nie eine gute Lösung. Hier besteht ein hohes Risiko, dass man sie dann einfach früher entlassen oder erst gar nicht einstellen würde. Das Rezept ist Aus- und Weiterbildung.

Lohnt es sich überhaupt noch, zu seinem Arbeitgeber loyal zu sein?
Es wird künftig viel weniger Festanstellungen geben. Die Arbeitnehmer wollen mehr Freiheit und Flexibilität. In den USA ist bereits jeder Dritte selbständig erwerbend, bald jeder Zweite. Deshalb plädiere ich auch für einen neuen Sozialvertrag: Ein Freelancer soll denselben Schutz bei Krankheit, dieselbe Sicherheit vor Kündigung und dieselben Rechte bei der Rente erhalten wie ein Festangestellter.

Zum Schluss ein Tipp: Wie bekommt man seinen Traumjob?
Sich gut vorbereiten, sich über die Firma und die Aufgaben informieren und im Gespräch Fragen stellen, die das Interesse und die Begeisterung zeigen.

Chef über 34'000 Angestellte

Der Belgier Alain Dehaze (56) ist seit 2015 CEO der Adecco-Gruppe. Zuvor arbeitete der Wirtschaftsingenieur u.a. für Henkel und ISS. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Die Adecco-Gruppe ist der weltgrösste Personaldienstleister, beschäftigt rund 34'000 Mitarbeitende in 60 Ländern und hat ihren Hauptsitz in Zürich.

Der Belgier Alain Dehaze (56) ist seit 2015 CEO der Adecco-Gruppe. Zuvor arbeitete der Wirtschaftsingenieur u.a. für Henkel und ISS. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Die Adecco-Gruppe ist der weltgrösste Personaldienstleister, beschäftigt rund 34'000 Mitarbeitende in 60 Ländern und hat ihren Hauptsitz in Zürich.

WEF 2020

Vom 21. bis 24. Januar findet wieder das World Economic Forum (WEF) in Davos statt. Rund 2500 internationale Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft treffen sich zum Austausch.

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