Vor genau acht Jahren war Luiz Inácio Lula da Silva (heute 72) – kurz Lula – einer der Stars am WEF: Der damalige Präsident Brasiliens hatte das 200-Millionen-Einwohner-Land von einem der Sorgenkinder der Weltwirtschaft zur Wachstums-Lokomotive gemacht. Fast 40 Millionen Menschen entkamen dank seinen Sozialprogrammen der Armut. WEF-Patron Klaus Schwab (79) verlieh ihm dafür die Auszeichnung als bester Staatschef der Welt.
Heute hingegen könnte Lula den Tiefpunkt erreichen. Ein Gericht in Porto Alegre (Brasilien) entscheidet, ob der Volksheld Lula für knapp zehn Jahre ins Gefängnis muss. Der Vorwurf: Korruption und Geldwäscherei. Kommt Lula frei, ist er Topfavorit für die Präsidentenwahl im kommenden Herbst.
Ohrfeige für Demokratie
Noch zynischer: Kurz bevor in Brasilien das historische Urteil gesprochen wird, tritt in Davos heute um 10.20 Uhr sein Nach-Nachfolger auf. Der Konservative Michel Temer (77) wird für Brasilien als Business-Standort weibeln, sich mit dem Mini-Aufschwung 2017 nach fünf verheerenden Rezessionsjahren schmücken. Jamil Chade, Schweiz-Korrespondent für die brasilianische Tageszeitung «Estadão», kommentiert gegenüber BLICK: «Temer auf der Weltbühne, Lula vor Gericht: Das ist der wichtigste Tag für Brasilien seit Jahren.»
Dass Temer auftritt, ist eine Ohrfeige für die Demokratie: Er ist bloss Präsident, weil vor zwei Jahren die damalige Präsidentin und Lula-Ziehtochter Dilma Rousseff (70) unter höchst zweifelhaften Umständen aus dem Amt gejagt wurde. Ihr wurden Tricksereien am Budget vorgeworfen – in Wahrheit passte sie der korrupten politischen Klasse nicht mehr in den Kram.
Temer rutschte als Vize-Präsident nach. Damit sonnt sich heute jemand im Glanz von Davos, der nicht zu Wahlen antreten darf, weil er wegen illegaler Wahlkampfspenden verurteilt wurde.