Google, Microsoft und Facebook sind am WEF Stammgäste. Microsoft residiert im Hilton, Facebook empfängt in einem dreistöckigen Holzpalast neben dem Kirchner-Museum, Google logiert etwas bescheidener, aber nicht weniger stilvoll in einem Pavillon mit dem neckischen Namen «Cloud» (Wolke). Neben den grossen drei sind zig weitere Tech-Firmen in Davos. Sie haben etwas gemeinsam: Alle sind aus den USA oder Asien, keine stammt aus Europa, schon gar nicht aus der Schweiz.
Doch nun zeigen die Einheimischen, dass sie auch etwas zu bieten haben. Die firmen- und branchenübergreifende Plattform Digitalswitzerland lud heute Morgen zum Frühstück mit den Spitzen von Wirtschaft und Verwaltung. Auf dem Podium Bundespräsident Alain Berset (45), WEF-Geschäftsführer Philipp Rösler (44), Ringier-Chef Marc Walder (52), in der ersten Reihe Nationalbank-Präsident Thomas Jordan (54), UBS-Chef Sergio Ermotti (57), Swisscom-Chef Urs Schaeppi (57) und SBB-Lenker Andreas Meyer (56).
Gastgeber war der John Lennon des Silicon Valley
Und da war da noch ein gewisser Alex Karp (50), geheimnisumwitterter Chef der geheimnisumwitterten Softwarefirma Palantir, die Digitalswitzerland Gastrecht gewährte. Karp ist der John Lennon des Silicon Valley. Er studierte Philosophie in Deutschland. Seine Firma hilft den US-Geheimdiensten, Terroristen in der afghanischen Wüste aufzustöbern und zu liquidieren. Was Karp aber nicht davon abhält, in Davos das zerstreute Genie zu geben, das zufällig auf eine Goldader gestossen ist, politisch aber noch immer weit links steht.
Mit seiner mit 20 Milliarden Dollar bewerteten Tech-Firma im Rücken hat Karp gut reden. Die Schweiz kann davon nur träumen. Für eine Transformation brauche es Schmerzen, sagte Walder. Davon gebe es in der Schweiz aber nicht allzu viel, weshalb Wandel schwierig einzuleiten sei.
«Die Digitalisierung hat uns wie einen Tsunami überrollt», sagt Walder. Europa und die Schweiz seien von den US-Firmen gnadenlos disrumpiert und abgehängt worden. «Wenn wir Fussball spielen würden, stünde es bei Halbzeit 10:0 für die USA. Und an der Seitenlinie steht China bereit, um ins Spiel einzugreifen.»
Walder will Coden zum Pflichtfach machen, Maudet nicht
Immerhin hat es die von Walder ins Leben gerufene Plattform Digitalswitzerland geschafft, das grösste Start-up-Programm Europas zu lancieren. Zudem führte sie letztes Jahr einen Digitaltag durch, bei dem die breite Bevölkerung einbezogen wurde. Auf diesem Weg will Walder weitergehen: «Meine Tochter lernt heute in der Schule dasselbe wie ich vor 45 Jahren. Warum wird ihr nicht an zwei Lektionen pro Woche beigebracht zu coden?» Die Frage richtete Walder an Pierre Maudet (39), den digital begeisterten Genfer Regierungsrat, der im Publikum war.
Doch Maudet zeigt sich zufrieden mit dem Stundenplan seiner Kinder. «Wichtiger als zu codieren ist es, dass die Kinder lernen zu decodieren – zu verstehen, wie die Welt funktioniert», so Maudet. Coden müssten vor allem jene lernen, die schon im Berufsleben stünden und Gefahr liefen, wegen der Digitalisierung ihren Job zu verlieren.
Mehr Regulierung, aber welche?
Bundespräsident Berset gab offen zu, dass die Digitalisierung nicht nur die Firmen, sondern auch die Politik überfordere. «Ich verstehe nicht, was Digitalisierung konkret heisst, was die Konsequenzen für die Menschen, die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Politik sind», sagte er. Klar sei, dass es Regulierung brauche. Denn die Digitalisierung verändere die Arbeitsbeziehungen und habe Folgen für die Sozialversicherungen. Die Schwierigkeit sei aber, so zu regulieren, dass Innovationen nicht abgewürgt würden.
Diese Gefahr sehen die Schweizer Wirtschaftsführer in Davos als akut. Sie sind deshalb nicht unglücklich, wenn der Bundesrat bei der Regulierung den Ball flach hält. Anders Karp, der sich als grosser Anhänger der Regulierung gab. «Der Staat muss die Limiten setzen», forderte er. Rechtssicherheit, Demokratie, Schutz der Privatsphäre, sichere Jobs und ein starker Sozialstaat seien im Zeitalter der Digitalisierung wichtiger denn je.
Hier zeigte sich: Die Amerikaner haben die Europäer nicht nur technologisch überholt, auch politisch denken manche schon weiter.
US-Präsident Donald Trump kommt in die Schweiz zum 48. World Economic Forum. Die wichtigsten Informationen, Bilder und Videos zum WEF 2018 finden Sie hier.
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