Das grosse Interview mit WEF-Vize Børge Brende
«Wir bringen die Schlüsselpersonen an einen Tisch»

WEF-Präsident Børge Brende über die Bedeutung des WEF für die Schweiz, die Erwartungen an US-Präsident Trump, und ob der Papst je nach Davos kommt.
Publiziert: 15.01.2018 um 10:04 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:00 Uhr
Blick-Gruppe-Chef Christian Dorer im Gespräch mit Børge Brende.
Foto: Philippe Rossier
Interview: Christian Dorer; Fotos: Philippe Rossier

Børge Brende war bis vor kurzem Aussenminister von Norwegen. Seit Oktober ist er die Nummer zwei des World Economic Forum, direkt hinter Gründer Klaus Schwab (79). Das Interview mit SonntagsBlick findet am Montagnachmittag am Hauptsitz des Forums in Cologny GE statt. Die Stimmung ist entspannt – der überraschende Anruf aus Washington folgt erst kurz darauf: US-Präsident Trump reist nach Davos! Und so reicht Brende die Antworten zu Trump schriftlich nach.

Herr Brende, kaum sind Sie am WEF, erfolgt ein Coup: US-Präsident Trump kommt nach Davos. Wie haben Sie das geschafft?
Børge Brende: Das World Economic Forum baut auf Dialog. Die Gelegenheit zum Austausch bleibt ein wichtiger Grund, warum Staatschefs teilnehmen.

Alle scheinen überrumpelt. Warum entschied sich Trump so kurzfristig?
Das Forum ist mit Regierungen weltweit während des ganzen Jahres in Kontakt. Wie alle G-20-Staaten wurde auch Präsident Trump nach Davos eingeladen, und wir werden ihn willkommen heissen. Das Motto des diesjährigen Treffens lautet: «Schaffen einer gemeinsamen Zukunft in einer zerrütteten Welt».

Was wird er in Davos machen?
Wir erwarten, dass wir mehr erfahren über den Kurs der US-Wirtschaft unter seiner Präsidentschaft und über seine kurz- und langfristigen Prioritäten.

Was bedeutet der Besuch für die Sicherheitsmassnahmen?
Darüber sprechen wir nicht. Die Schweiz und ihre Bewohner haben grosse Erfahrung im Empfang von Staatschefs.

Befürchten Sie, dass es nun plötzlich wieder schwere Demonstrationen gegen das WEF gibt?
Ich bin überzeugt, dass Menschen heute besser verstehen, wofür das Forum steht, und dass Dialog wichtiger ist denn je, wenn wir versuchen, die Gräben in dieser Welt nicht weiter aufzureissen, sondern eine gemeinsame Zukunft zu ­bauen.

Børge Brende: «Ich bin überzeugt, dass Menschen heute besser verstehen, wofür das Forum steht, und dass Dialog wichtiger ist denn je.»
Foto: Philippe Rossier

Sie selber sind seit drei Monaten Präsident des WEF. Zuvor waren Sie Aussenminister von Norwegen. Ist das ein Auf- oder ein Abstieg?
Es war der richtige Schritt. Ich arbeitete über zehn Jahre in verschiedenen norwegischen Ministerien. Als die Anfrage von Professor Schwab kam, nahm ich die Herausforderung gern an. Das Forum ist komplett international und hat grossen Einfluss.

Sie haben mehr Einfluss beim WEF als im Aussenministerium?
Als Aussenminister war ich für die Sicherheitspolitik meines Landes zuständig. Das World Economic Forum ist die führende internationale öffentlich-privat initiierte Organisation. Man kann die beiden Positionen nicht gegeneinander ausspielen. Was sicher ist: Das Forum ist nötiger denn je. Ohne die Wirtschaft werden die Staaten ihre Ziele nicht erreichen. Ein Beispiel: Wir brauchen Hunderte Millionen neue Jobs in Afrika. Dazu braucht es Investitionen von Firmen. Das Forum bringt Politik, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Das ist einzigartig.

Klaus Schwabs Kronprinzen sind bisher alle gescheitert. Wie machen Sie den Unterschied?
Ich arbeitete bereits für das World Economic Forum, bevor ich 2013 Aussenminister wurde. Jetzt haben wir soeben die Wahlen gewonnen, und ich hätte Aussenminister bleiben können. Da fragte mich Professor Schwab an, er suchte jemanden, der das operative Geschäft führen würde. Ich habe abgewogen und kam zum Schluss: Das mache ich! Ich kann hier viel Einfluss nehmen in Bereichen, die mich interessieren: Wirtschaftswachstum, Nachhaltigkeit, mehr Jobs zu kreieren. Professor Schwab und der Stiftungsrat haben mir viel Vertrauen entgegengebracht. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Zusammenarbeit sehr gut funktionieren wird.

Wie teilen Sie sich die Aufgaben auf?
Zwischen Professor Schwab als Vorsitzender und mir gibt es eine klare Arbeitsteilung. Er ist Execu­tive Chairman, quasi Verwaltungsratspräsident, und natürlich der Gründer, also verantwortlich für Strategie und Weiterentwicklung. Er übernimmt auch die repräsentativen Aufgaben auf höchstem Level. Ich bin für das Tagesgeschäft zuständig. Das ist eine einzigartige Partnerschaft! Wir treffen uns täglich um 9 Uhr, wenn wir nicht gerade auf Reisen sind.

Klaus Schwab hat das Forum vor 48 Jahren gegründet. Schwab ist das WEF, und das WEF ist Schwab. Das WEF ohne ihn ist undenkbar.
Professor Schwab hat das Forum gegründet und es zusammen mit seinen Mitarbeitern zum bedeutendsten Forum der Welt aufgebaut. Er schaut nie zurück, er feiert nie die Vergangenheit oder seine Erfolge. Er sucht immer nach dem Neuen: Wir haben zum Beispiel in San Francisco Schwestergesellschaften aufgebaut für die vierte industrielle Revolution. Auch in New York, Peking und Tokio haben wir Büros, und in Genf wird das Global Center für Cybersecurity etabliert.

Børge Brende am Hautpsitz des WEF in Cologny (GE).
Foto: Philippe Rossier

Wie geht es der Welt derzeit?
Wirtschaftsführer und Staatschefs sehen die geopolitischen Herausforderungen als grösste Risiken: die Konflikte in Korea, zwischen Pakistan und Indien, in Libyen, in Syrien. Aber auch die Migration. Wir wollen in Davos verschiedene Ini­tiativen zu diesen Themen ergreifen, wir bringen die Schlüsselpersonen an einen Tisch. Wir arbeiten zum Beispiel eng mit dem Uno-Beauftragten in Syrien zusammen und versuchen, alle Konfliktpar­teien zusammenzubringen.

Was tun Sie im Konflikt mit Nordkorea?
Wir werden ein diplomatisches Treffen dazu haben. Jeffrey Feltman von den Vereinten Nationen wird daran teilnehmen, er war in Nordkorea und wird eine neue Sicht auf den Konflikt einbringen. Weiter haben wir Schlüsselfiguren aus China und den USA sowie den südkoreanischen Aussenminister in Davos. Derzeit haben wir jedoch keine Pläne, dass Repräsentanten von Nordkorea kommen.

Wäre Nordkorea willkommen?
Wie gesagt gibt es derzeit keine solchen Pläne.

Können sich die Pläne ändern? Oder wollen Sie keine hochkarätigen Nordkoreaner am WEF?
Sie geben nicht auf! Ich muss diplomatisch bleiben (lacht). Ich kann mich nur wiederholen: Derzeit gibt es keine Pläne, nordkoreanische Diplomaten dieses Jahr in Davos zu begrüssen.

Wann kommt der Papst nach Davos?
Der Vatikan wird mit einem Kardinal präsent sein. Die katholische Kirche ist ein wichtiger Akteur in Friedensverhandlungen. Ich selber arbeitete als Aussenminister eng mit dem Vatikan zusammen, da Norwegen die Friedensverhandlungen in Kolumbien zwischen der Farc und Präsident Santos moderierte. In Norwegen erzählt man sich, dass ich als Aussenminister mehr Zeit in Bogotá als in Norwegen verbrachte – was natürlich nicht so war (lacht).

Wieso wollen alle nach Davos?
Möglicherweise liegt es an der Davoser Luft (lacht). Ich habe ja selber Erfahrung als Teilnehmer gemacht: Das Einzigartige liegt darin, dass der Politiker auch die Wirtschaftsvertreter trifft, die Leiter der internationalen Organisationen, alle führenden Wissenschaftler. Es sind schlicht die wichtigsten Vertreter der Welt da. Es ist ein einzigartiger Schmelztiegel. Diesen Mix gibt es nirgendwo sonst.

Auf die Frage, wie es der Welt momentan gehe, sagt Børge Brende, dass Wirtschaftsführer und Staatschefs die geopolitischen Herausforderungen als grösste Risiken sehen.
Foto: Philippe Rossier

Ist Davos als Austragungsort gesetzt?
Die Schweiz und das World Economic Forum gehören zusammen, das Jahrestreffen gehört zu Davos. Es gab eine einzige Ausnahme: Nach 9/11 fand das Treffen in New York statt. Auch für den Hauptsitz kann ich mir keinen besseren Ort als die Schweiz vorstellen. Es ist ein neutrales Land, das sich auf diplomatischer Ebene für Frieden und Entwicklungshilfe einsetzt.

Macht es für die Teilnehmer einen Unterschied, wo das WEF stattfindet?
Ja. Man landet in Zürich, nimmt den Zug nach Landquart, steigt um und fährt in die Berge. Man lässt die alltäglichen Probleme sinnbildlich hinter sich. Dazu kommt: Zu Beginn des Jahres tut es gut, zu sehen, dass es durchaus Grund für Optimismus gibt und wir Lösungen für die grossen Probleme finden können.

Schauen Sie optimistisch auf 2018?
Ja! Wir haben nun sieben Jahre globales Wirtschaftswachstum hinter uns. Die Arbeitslosigkeit in Europa geht zurück, ebenso die weltweite Armut. Gleichzeitig liegen grosse He­rausforderungen vor uns. Ich fürchte vor allem, dass die ­Rivalität zwischen den Ländern wächst. Dabei brauchen wir mehr Zusammenarbeit.

Anlässlich des Interviews mit WEF-Präsident Børge Brende (r.) traf Blick-Gruppe-Chef Christian Dorer (l.) auf WEF-Gründer Klaus Schwab.
Foto: Philippe Rossier

Norwegen ist wie die Schweiz nicht in der EU, hat aber viel weniger Probleme. Was macht Ihr Land besser?
Norwegen hat ebenfalls eine komplexe Beziehung zur EU. Der Unterschied: Wir sind zusammen mit Island und Liechtenstein im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Dadurch haben wir vollen Zugang zum Binnenmarkt, im Gegenzug übernehmen wir alle Richtlinien der EU. Die Schweiz geht einen anderen Weg. Ihr Land macht sich aber gut, ich bin zuversichtlich, dass sich eine Lösung finden wird. Zudem gibt es das europäische Freihandelsabkommen (Efta) mit den Mitgliedern Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein. Vor einigen Jahren wurde die Efta eher stiefmütterlich behandelt. Wegen des Brexits liegt der Fokus wieder verstärkt darauf. Wenn man die Mitgliedstaaten zusammenzählt, ist es ist die zwölftgrösste Wirtschaft der Welt! Als Witz sage ich jeweils: Das ist die einzige internationale Organisation, in der die Schweiz und Norwegen Supermächte sind (lacht).

Wie haben Sie sich in der Schweiz eingelebt?
Ich lebe in der Nähe von Genf. Meine Frau ist Richterin in Oslo und pendelt. Wir haben zwei Söhne, die beide die Universität besuchen. Das funktio­niert gut. Als Norweger liebe ich die Berge und das Skifahren. Ich habe auch schon eine erste Skitour im Jura gemacht. Wunderschön!

Zur Person

Der Norweger Børge Brende (52) ist seit Oktober Präsident des World Economic Forum (WEF) und damit die Nummer zwei hinter Gründer Klaus Schwab (79). Von 2008 bis 2013 arbeitete Brende bereits für das Forum, das 1971 von Schwab gegründet wurde und seinen  Hauptsitz in Cologny GE hat. Es beschäftigt mittlerweile rund 700 Mitarbeitende. Brende studierte Geschichte, Sozialökonomie und Recht. Von 2001 bis 2004 war er Umweltminister, von 2004 bis 2005 Handelsminister, von 2013 bis 2017 Aussenminister. Er lebt in der Nähe von Genf, ist mit einer Norwegerin verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

Der Norweger Børge Brende (52) ist seit Oktober Präsident des World Economic Forum (WEF) und damit die Nummer zwei hinter Gründer Klaus Schwab (79). Von 2008 bis 2013 arbeitete Brende bereits für das Forum, das 1971 von Schwab gegründet wurde und seinen  Hauptsitz in Cologny GE hat. Es beschäftigt mittlerweile rund 700 Mitarbeitende. Brende studierte Geschichte, Sozialökonomie und Recht. Von 2001 bis 2004 war er Umweltminister, von 2004 bis 2005 Handelsminister, von 2013 bis 2017 Aussenminister. Er lebt in der Nähe von Genf, ist mit einer Norwegerin verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

Trump am WEF in Davos

US-Präsident Donald Trump kommt in die Schweiz zum 48. World Economic Forum. Die wichtigsten Informationen, Bilder und Videos zum WEF 2018 finden Sie hier.
ALLE NEWS ZUM THEMA

US-Präsident Donald Trump kommt in die Schweiz zum 48. World Economic Forum. Die wichtigsten Informationen, Bilder und Videos zum WEF 2018 finden Sie hier.
ALLE NEWS ZUM THEMA

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.