BLICKpunkt von Christian Dorer über den Besuch des US-Präsidenten
Hysterie oder History

Wird Donald Trump am WEF 2018 Weltgeschichte schreiben – oder nur eine Show abliefern? Das Problem: Beides ist denkbar.
Publiziert: 12.01.2018 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:08 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

Die Schweiz steht kopf, seit bekannt wurde, dass Donald Trump ans WEF reisen will. Schliesslich ist es das erste Mal seit Bill Clinton im Jahr 2000, dass ein US-Präsident in unser Land kommt. Allerdings auch einer der seltsamsten in der 242-jährigen Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika.

Die Jungsozialisten haben schon zur Demo aufgerufen: «Sexistischer und rassistischer Trottel in der Schweiz? Nicht mit uns!» Klar, Nachwuchspolitiker dürfen provozieren. Weiter als bis zur eigenen Nasenspitze denken sollten sie trotzdem: Was wollen die Juso tun, wenn Chaoten aus ganz Europa in der Schweiz randalieren?

Man mag von diesem Präsidenten halten, was man will – doch mit Trump kommt kein übler Diktator zu Besuch, sondern der frei gewählte Repräsentant der ältesten Demokratie der Welt. Und das ist ein riesiger Coup von WEF-Gründer Klaus Schwab (79). Die 48. Ausgabe macht sein internationales Treffen noch bedeutender, noch grösser. Davos wird tagelang im Mittelpunkt der globalen Aufmerksamkeit stehen.

Gleichzeitig ist Trump eine Gefahr für das World Economic Forum. Weil sich alles nur um ihn dreht, weil 3000 andere Gäste in den Hintergrund gedrängt werden – obwohl sie zusammen viel mächtiger sind als der mächtigste Mann der Welt: Indiens Premier Narendra Modi, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Jordaniens König Abdullah, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die Präsidenten von Brasilien und Argentinien, die CEOs der wichtigsten Firmen der Welt ...

Wieso kommt Trump überhaupt ans WEF? Das Treffen in Davos steht doch für alles, was er mit aller Macht bekämpft: die Sorge um unseren Globus, internationale wirtschaftliche Kooperation, diplomatische Konfliktlösung und Dialog auf Augenhöhe. Die «Süddeutsche Zeitung» antwortet: «Trump kommt, und er bringt ein grosses Thema mit: sich selbst.»

Doch seine Präsidentschaft steht an der Schwelle zu einer Zeitenwende. In Washington sorgt ein Enthüllungsbuch über Trumps erste Monate im Amt für Aufruhr. Es enthüllt peinliche Details aus seinem Alltag im Weissen Haus und nährt sogar Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des 71-Jährigen.

Seit er jedoch seinen rechtsradikalen Chefstrategen Steve Bannon kaltgestellt hat, sind ganz neue Töne von Trump zu vernehmen. Plötzlich bietet er Nordkorea Gespräche an, plötzlich ist selbst das Pariser Klimaabkommen für ihn nicht mehr des Teufels, plötzlich nimmt er am Treffen der von ihm verachteten Welt-Elite teil.

2005 wurde Davos zum «Holly-WEF», als Sharon Stone, Angelina Jolie, Richard Gere, Bono und Lionel Richie allen anderen die Show stahlen. 2018 wird es von Trumps Davoser Rede abhängen, wie WEF Nummer 48 in Erinnerung bleiben wird: als historischer Höhepunkt oder als hysterische Randerscheinung des globalen Nachdenkens über die Welt.

Kurz: Wird Trump Geschichte schreiben oder eine Show abziehen?

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