Von hinten zieht eine Hand an der linken Schulter. «Gehen Sie sofort weg!», sagte eine Frau forsch. «Ich gehöre zum Pressekorps des Weissen Hauses», antworte ich und strecke ihr den Teilnehmerausweis entgegen. «With the White House» liest sie und sagt: «Okay, Sie dürfen bleiben.»
Ich bleibe am oberen Treppenende im Kongresszentrum von Davos GR. Vor wenigen Minuten ist der gepanzerte Geländewagen von US-Präsident Donald Trump (71) in der Tiefgarage angekommen. Jeden Moment ist er hier. Hunderte von Journalistinnen und Reportern wollen in seine Nähe gelangen. BLICK hat sich über das Weisse Haus für das WEF akkreditiert, begleitet Trump mit 118 Journalisten und Technikern im Pressetross des Präsidenten. Das bringt ein bisschen Nähe, regen Kontakt mit Trumps Personal – und frühzeitig seinen Terminkalender.
Um 14.40 Uhr tritt er aus der Tür, die zur Garage führt. Es blitzt, Reporter kämpfen um bessere Positionen. Wächter umringen den Präsidenten, der zum offenen Mantel eine blaue Krawatte trägt, das Gesicht ist perfekt geschminkt. Er schüttelt Hände, signiert das Buch «God and Donald Trump», lässt sich mit WEF-Gründer Klaus Schwab (79) und dessen Gattin Hilde ablichten. «Es stellt mich auf, hier zu sein, es macht mich glücklich», ruft Trump und geniesst das Bad in der Menge. «Das werden zwei tolle Tage.»
Geschwind geht er die Treppe hoch. Hinter ihm projiziert das WEF Fotos an die Wand. Sie zeigen die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf die Inuit in der Arktis. Eine Botschaft an Trump, der aus dem Pariser Klima-Akkord ausgestiegen ist?
Ellbogen-Kampf, Füsse treten auf Füsse
Ellbogen stechen, Füsse treten auf Füsse, man drängelt sich vor. «Mister President, glauben Sie, dass Sie hier gut empfangen werden?», fragt SRF-USA-Korrespondent Peter Düggeli. «Ja, ich werde gut empfangen, schauen Sie sich das nur an!», antwortet Trump und zeigt auf jene, die ihn fotografieren, filmen und wegen ihm hier sind.
Er steigt eine weitere Treppe hoch, verschwindet im Sitzungssaal Parsenn, wo er sich mit der britischen Premierministerin Theresa May (61) trifft – um die angeblich ramponierte «spezielle transatlantische Freundschaft» aufzubessern. «Die Premierministerin und ich haben eine wirklich tolle Beziehung», sagt er. «Was viele nicht glauben, aber ich kann euch versichern, sie ist wirklich grossartig.»
«Wie war Trump?», frage ich May nach dem Treffen. Ihr versteinertes Gesicht und ihr Schweigen sprechen Bände.
Um 15.45 Uhr empfängt der US-Präsident den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu (68). Mit dabei: Trumps Schwiegersohn Jared Kushner (37), der im Weissen Haus zuständig ist für Nahost.
Alle wollen einen Blick erhaschen
Draussen hoffen etliche WEF-Gäste, einen Blick auf Trump zu werfen. «So lange habe ich noch nie auf einen Mann gewartet», sagt Ständeratspräsidentin Karin Keller-Sutter (FDP, 54). Unbemerkt geht der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore (69) vorbei. Was ist von Trumps Besuch zu halten? «Darüber könnte ich viel sagen», so Gore. «Aber ich schweige lieber.»
Eine halbe Stunde früher als geplant, um 10.20 Uhr, setzte gestern die Air Force One am Flughafen Kloten auf. Von dort flog ihn ein Helikopter nach Davos. Wie vorgesehen landete er dort um 11.30 Uhr. Dutzende von Autos begleiteten den Konvoi des Präsidenten ins Hotel Intercontinental, ins Goldene Ei, wo Trump logiert.
Auffallend: Die Sicherheit rund um den Präsidenten gewährleisten mehrheitlich Schweizer Polizisten. Die befürchtete Übernahme durch den Secret Service bleibt aus. Selbst innerhalb des Kongresszentrums sind weniger US-Sicherleute aktiv als bei Auftritten Trumps in Amerika. Kompromisslos agierten sie im Hotel. Vor Trumps Ankunft liessen sie die Lobby räumen.
Ein stolzer Schwab
Sichtlich stolz wirkt Schwab. Für den hohen Besuch nimmt er sogar in Kauf, dass dem Rest des WEF seit Trumps Ankunft regelrecht die Luft ausgeht. Alles dreht sich nur noch um POTUS, den «President of the United States».
Allein harmonisch ist die Beziehung zwischen WEF und Weissem Haus nicht. Einige Teilnehmerausweise von Trumps Team wurden zu spät fertig, der gestandene US-Reporter John Roberts (61) von Fox war bei seiner Ankunft nicht gemeldet. Das Weisse Haus bemängelte die fehlerhafte WEF-Technik. Die Schweizer sagten, die Amerikaner hätten Personen schlicht vergessen. Zuletzt lösen sie das Problem.
Trump lädt um 18.30 Uhr zu einem Empfang. Das Treffen sei nett gewesen, sagt Swiss-Re-Präsident Walter Kielholz. Aber: «Inhaltlich hat er nichts Neues gesagt.» Trump lädt im Kongresszentrum zum Dinner – und macht sich, wie geplant, um 21.15 Uhr auf den Weg ins «Goldene Ei».
Womöglich übt er dort noch die Ansprache, die er heute um 14 Uhr halten wird. «Es könnte die wichtigste Rede Trumps sein», sagt US-Parlamentarier Don Beyer (67), der von 2009 bis 2013 US-Botschafter in Bern war. «Am WEF will man die Welt verbessern, hier muss Trump erklären, was er mit der America-First-Vision dazu beitragen kann.» Beyer schaffte es nicht, Präsident Barack Obama (56) nach Davos zu locken. Warum kommt Trump? «Trump ist es wichtig, was andere über ihn denken», sagt er. «Er weiss: WEF-Teilnehmer schätzen ihn gering, zuvor luden sie ihn nie ein. Nun will er ihnen zeigen, dass er echt ist.»
US-Präsident Donald Trump kommt in die Schweiz zum 48. World Economic Forum. Die wichtigsten Informationen, Bilder und Videos zum WEF 2018 finden Sie hier.
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