Die WEF-Teilnehmer begrüssten den US-Vize heute Morgen wie einen Superstar: Joe Biden (74) betrat die Bühne für seine letzte grosse Rede unter Applaus und begeisterten Pfiffen. «Mein Name ist Joe Biden», stellte sich der Sohn eines Gebrauchtwagenhändlers vor. «Ich bin noch 48 Stunden Vizepräsident der USA. Dann kann ich sagen, was ich will.»
Den Namen Trump nahm Biden nicht in den Mund. Doch seine Rede hörte sich an wie eine Warnung vor dem neuen US-Präsidenten. Biden lobte alles, was Trump ablehnt: höhere Steuern für die Reichen, Freihandel und internationale Institutionen wie die Nato und die EU.
Vorwürfe an die WEF-Teilnehmer
Biden nahm die Vorschusslorbeeren des Publikums gerne entgegen. Milde zeigte sich der eingefleischte Linke deswegen nicht. Den WEF-Teilnehmern warf er vor, sie drückten sich um ihre Verantwortung: «Wir brauchen ein faires Steuersystem. Das oberste ein Prozent zahlt seinen Beitrag nicht.»
In den USA seien die Steuern für die Vermögenden in den letzten Jahren stets gesenkt worden – mit fatalen Folgen für das öffentliche Bildungssystem oder die Staatsschulden. Die Folge sei der Abstieg der Mittelklasse und politische Unzufriedenheit.
Die Unrast der Mittelklasse bezeichnete Biden als Gefahr für die globale Sicherheit. Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und autoritäre Tendenzen nähmen zu. Mauern zu bauen, sei die falsche Antwort: «Wir dürfen die Angst nicht mit Ressentiments bekämpfen.»
«Weitere Attacken zu befürchten»
Trumps Verbündeten Putin bezeichnete er als Gefahr für die internationale Sicherheit. Der russische Präsident spiele die Europäer gegeneinander aus und habe mit einer Cyber-Attacke versucht, die US-Wahlen zu beeinflussen. «Wir müssen weitere Attacken befürchten.»
Er hoffe, dass der neue Präsident seine Verantwortung wahrnehmen werde, sagte Biden. Ob er daran glaubt, blieb sein Geheimnis. Durch die Blume machte er den WEF-Teilnehmern aber klar, dass sie sich nicht auf die USA verlassen dürfen: «Jedes Land muss die Entscheidung selber treffen, wie die Umgebung sein soll, in der seine Kinder aufwachsen.»