Der Mann, über den in Davos alle reden, ist selbst gar nicht da: Donald Trump. Unmittelbar vor WEF-Beginn gewann der Ex-Präsident klar die republikanischen Vorwahlen in Iowa. Eine Wiederwahl im November ist ein Szenario, auf das sich Europas Regierungen und Konzernleitungen vorbereiten müssen.
Gewinnt Trump im November wieder? Davon sind die meisten Teilnehmenden am WEF überzeugt. Erstaunlich: Die Topmanagerinnen und -manager zeigen sich angesichts der möglichen Wiederwahl sowohl in semiöffentlichen Runden als auch in vertraulichen Gesprächen entspannt. «Zu entspannt», sagt ein Teilnehmer kritisch gegenüber der «Handelszeitung».
Auf Podien und in Einzelgesprächen sammelte die «Handelszeitung» Stimmen und Eindrücke. Namentlich zitieren lassen will sich zwar kaum jemand. Doch der Tenor lautet: Für die Firmen sei Trumps Wiederwahl keine Katastrophe.
Kelleher hofft auf Normalisierung
«Wir dürfen nicht vergessen, dass die erste Amtszeit von Trump gut für die Wirtschaft war», sagt der Chef eines europäischen Pharmakonzerns zur «Handelszeitung». Und aus Gesprächen mit US-Firmenlenkern höre er, dass diese sich langsam an den Gedanken an eine zweite Amtszeit Trumps gewöhnen. Die Firmenchefinnen setzen darauf, dass Trump selbst sich gern als Erfolgsunternehmer sieht und in Sachen Regulierung und Steuern eher aufseiten der Grosskonzerne steht als die Demokraten.
UBS-Präsident Colm Kelleher kokettiert – angesprochen auf seine Meinung zu einer möglichen Trump-Wiederwahl – bei einem Nebenevent: «Ich bin doch nur ein bescheidener Banker.» Dabei ist die UBS besonders anfällig, sollte Trump die Spannungen zwischen den USA und China verstärken: Das US-Geschäft steuert rund 50 Prozent der verwalteten Vermögen im Wealth-Management der UBS bei, und China und Asien sind wichtige Wachstumsmärkte.
Trumps Name kommt Kelleher zwar nicht über die Lippen. Doch er hoffe, dass sich die Handelsbeziehungen beider Supermächte mit der nächsten US-Wahl nicht weiter verschlechtern würden, schliesslich sei für beide das Handelsvolumen zu wichtig. Er erwarte, dass sich die Einschränkungen auf «Hotspots wie Tech und Verteidigung» beschränken werden: «Der restliche Kram dürfte normal weiterlaufen.»
Wird schon nicht so schlimm werden, so die Hoffnung vieler. Beispiel Inflation Reduction Act (IRA): Das milliardenschwere Programm der Biden-Regierung zur Ansiedlung sauberer Industrien will Trump bekanntlich zusammenstreichen. Doch weil das Gesetzespaket ein grosser Erfolg ist, dürfte Trump etwas Ähnliches selbst aufgleisen, meint eine Topbankerin im Gespräch. Da zudem viele Firmen dank des IRA Fabriken in Staaten hochgezogen haben, die von Republikanern regiert werden, dürfte Trump bei allfälligen Streichungsplänen Widerstand aus den eigenen Reihen blühen.
Mehr zum WEF
Trump als Risiko für Europa
Bei den Optimisten und Optimistinnen reiht sich auch Sam Altman ein. «Ich glaube, dass es Amerika gut gehen wird, egal, was bei dieser Wahl passiert», äusserte sich der Gründer und Chef von Open AI, dem Mutterhaus der KI-Lösung Chat GPT, bei einem Auftritt im «Bloomberg House» am Dienstag. Ja, bei den Wahlen stünde viel auf dem Spiel, sagt Altman, aber sonderlich besorgt wirkte er nicht. Zumal die Frage der Regulierung von künstlicher Intelligenz bisher überhaupt kein Thema im US-Wahlkampf war.
So entspannt sind längst nicht alle. In den westlichen Regierungen und bei den Zentralbanken wächst offenbar die Sorge angesichts von Joe Bidens schwachen Umfragewerten gegenüber dem möglichen Herausforderer Trump. Der für Firmen überlebenswichtige US-Kapitalmarkt, die amerikanische Technologievorherrschaft und die gemeinsamen Verteidigungsinteressen: All das wird mit Trumps möglicher Wiederwahl zum Risiko.
Christine Lagarde ist der Gedanke einer Trump-Wahl offen zuwider. Das zeigte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank am Mittwochmorgen bei einer Diskussionsrunde am Rande des WEF klar. Ja, jeder sei «besorgt» über die mögliche Wiederwahl, sagte die Französin. Bei der EZB würde man entsprechende Szenarien bereits durchspielen. Welche Folgen eine Trump-Wahl für die Leitzinsen hätte, erläuterte Lagarde aber nicht.
Im französischen TV hatte Lagarde eine Wiederwahl Trump sogar offen als «Bedrohung» für Europa bezeichnet. Solche starken Worte wiederholte die EZB-Chefin in Davos zwar nicht, aber Lagarde plädierte mit Nachdruck dafür, dass Europa stärker zusammenrücken müsse. So fehle zum Beispiel weiterhin ein einheitlicher Kapitalmarkt. Das führt dazu, dass Firmen sich über den grossen US-Kapitalmarkt refinanzieren. So hat zum Beispiel der deutsche Industrieriese Linde seine Börsennotiz in Frankfurt zugunsten jener in New York aufgegeben.
Die Ukraine könnte verlieren, China profitieren
Die grosse Unbekannte ist, welchen wirtschaftlichen Schaden Trumps Aussenpolitik anrichten könnte. Das dürfte vor allem für Europa ein Problem werden. Auch wenn das Waffenexportverbot für die Ukraine unter der Trump-Regierung aufgehoben wurde, ist der mögliche Wieder-Präsident für die Zukunft der Ukraine eine Blackbox. Die Hilfen für die Ukraine will er massiv zurückfahren, wenn nicht gar streichen. Ohne die Militär- und Finanzhilfe der USA wird es die Ukraine aber extrem schwer haben, den russischen Aggressor in Schach zu halten. Die Ukraine könnte fallen – mit unabsehbaren Folgen für Europas Sicherheit.
Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Philipp Hildebrand, Blackrock-Manager und Ex-Präsident der Schweizerischen Nationalbank, sieht in einer möglichen Wahl Trumps «einen Weckruf für Europa». Sollten die Beziehungen mit Washington wieder schwierig werden, müsste sich Europa in Sachen Verteidigung, Finanzmarkt und Technologie endlich von anderen Partnern unabhängig machen, sagte Hildebrand im Gespräch mit Medienvertretenden.
«Europa ist auf die Folgen einer Trump-Wahl überhaupt nicht vorbereitet», widerspricht der Topmanager eines grossen deutschen Industriekonzerns im Gespräch mit der «Handelszeitung». Die Politik würde wohl überfordert sein. Die Firmen hingegen würden sich schnell anpassen. Um Handelskonflikten aus dem Weg zu gehen, würden die Unternehmen wohl noch stärker lokal fertigen, also in den USA für die Amerikaner und in China für die Chinesen. Vor allem aber erwartet der Industriemanager neue Allianzen: «Wenn die USA die Europäer hängenlassen, dann wird Europa keine andere Wahl haben und sich China stärker annähern.»
Ex-Trump-Vertrauter warnt in Davos
Kann man sich als Unternehmerin und Unternehmer mit dem Gedanken an einen Wieder-Präsidenten Trump anfreunden? «Auf keinen Fall», warnt in Davos dessen ehemaliger Vertrauter Anthony Scaramucci, weltweit bekannt geworden für seine zehntägige Karriere als Trump-Sprecher.
Trump habe offen gesagt, dass er ein Diktator sein und seine Regierungsbefugnisse ausweiten wolle, sagte Scaramucci zur US-Zeitung «Politico». Beim möglichen Wiedereinzug ins Weisse Haus drohten Vetternwirtschaft, Unberechenbarkeit der Rechtslage und die weitere Entwicklung Amerikas in Richtung Autokratie: «Die Wirtschaftsführer waren im Grundsatz einverstanden mit Mussolini. Und sie waren im Grossen und Ganzen einverstanden mit Hitler.» Das gehe allerdings nur so lange, «bis alles verrückt spielt».