Web-Spione sammeln persönliche Daten
Krankenkassen spionieren Kunden aus

Die Durchdringung von Schweizer Krankenkassen-Portalen durch Facebook- und Google-Tracker ist heikel, sagt Ex-Datensammler Christian Bennefeld. Mit einem Online-Werkzeug der Universität Hamburg hat er für BLICK zahlreiche Webauftritte analysiert.
Publiziert: 29.04.2018 um 23:37 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:21 Uhr
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Swica will den Einsatz von Trackern nicht kommentieren. Mit 33 dieser Spionage-Progrämmchen steht die Krankenkasse an der Spitze der Krankenversicherer.
Foto: zvg
Ulrich Rotzinger

Wer läuft schon mit einem T-Shirt herum, auf dem vorne der eigene Name, das Geburtsdatum und das Facebook-Profilbild stehen? Dazu noch, dass man Sorge hat, sich mit dem HI-Virus angesteckt zu haben und übrigens nach einem neuen Krankenversicherer sucht?

Kein Mensch würde der Öffentlichkeit diese Dinge preisgeben. Wie kann es dann sein, dass spezialisierte Firmen, oft im Ausland, über viele dieser Dinge Bescheid wissen und damit Geld machen?

Dafür verantwortlich sind Tracker. An sich haben Website-Betreiber mit diesen Miniprogrammen nichts Böses im Sinn. Internetplattformen, darunter auch die Mehrheit der Newsportale wie Blick.ch nutzen sie, um Usern auf sie zugeschnittene Artikel oder Werbung einblenden zu können.

Alarmierende Resultate

«Heikel wird es jedoch, wenn die Tracker in Bereiche vordringen, in denen sich Menschen gerne geschützt sähen. Dazu gehört vor allem die Gesundheit», sagt der frühere Datensammler Christian Bennefeld (49) zu BLICK. Er war einer der ersten, der solche Webspione entwickelt hat. Dann hat er mit seiner Firma eBlocker auf die andere Seite gewechselt und verkauft nun Schutz vor diesen Webspionen.

Bennefeld hat mit einem Onlinedienst der Universität Hamburg für BLICK Webauftritte von Schweizer Krankenversicherern und Gesundheitsportalen untersucht. Die Resultate bezeichnet er als alarmierend: «Es ist erschreckend, wie auf den Webseiten von Schweizer Krankenkassen Besucher ausspioniert werden.»

Tracking in der Schweiz erlaubt

So viel sammeln die verschiedenen Krankenkassen. (Quelle: Statistische Erhebung zur Anzahl Tracker auf den genannten Webseiten mit dem Tool Privacyscore.org durch eBlocker GmbH in Hamburg, durchgeführt am 3. 4. 2018)
Foto: Blick

Von CSS, Helsana bis Groupe Mutuel: Alle verfolgen die User. Spitzenreiter ist die Swica mit 33 Tracking-Progrämmchen. Die eben erst vom Datenschützer wegen ihrer Fitness-App gerügte Helsana hat zwar weniger Webspione, dafür den Hotjar-Tracker, der ganz perfide Nutzerspuren mitverfolgt. Bei den Gesundheitsportalen sticht Gesundheit.ch mit 47 Trackern heraus.

Besonders häufig eingebettet sind Facebook und Google. In der Schweiz ist es im Gegensatz zu Deutschland erlaubt, das Zielgruppen-Tracking von Facebook auf Webseiten zu benutzen, so Bennefeld: «Die Einbindung von Facebook und Google auf Krankenkassen-Portalen ist heikel, weil deren Programme personenbezogene Daten sammeln und damit Geld machen. Besitzt ein Nutzer ein Konto bei dem jeweiligen Dienst, werden diese Daten personenbezogen verknüpft.»

Was sollen die vielen Tracker? Wissen die Kassen überhaupt, was mit den getrackten Daten der Website-Besucher angestellt wird? Die Swica reicht die Fragen weiter: «Gemäss unserer Online-Werbeagentur handelt es sich ausschliesslich um Werbetracking, das auf anonymen Daten basiert», sagt Swica-Sprecherin Silvia Schnidrig. «Es geht darum, sicherzustellen, dass ein User nicht mit Werbung überhäuft wird (Frequenzy Capping), die er bereits gesehen hat und dass ihm vor allem nicht Werbung ausgespielt wird, die er nicht sehen will.»

Die Helsana: «Wir erachten die Datengewinnung nicht als heikel.» Mit dem Tracker Hotjar erhebe man Daten nur in anonymisierter Form.

User soll auf Verwendung von Trackern hingewiesen werden

Die CSS versichert, dass der Krankenversicherer selbst mit dem Tracking keine personenbezogenen Daten bearbeitet. Sie verweist auf die jeweiligen Datenschutzhinweise der Drittanbieter wie Google und Facebook, denen User mit deren Benutzung zugestimmt hätten.

Angesprochen auf die 47 Tracker auf Gesundheit.ch reagiert dessen Betreiber. «Ich plane die Installierung eines Tools, bei dem der User auf die Verwendung von Trackern hingewiesen wird», verspricht Christian Bachmann. Zudem wolle er ermöglichen, fast alle Tracker zu deaktivieren. «In der EU ist dies neu vorgeschrieben, in der Schweiz vorläufig nicht», so Bachmann. 

Die Tracker würden nicht von ihm, sondern von den Werbepartnern wie Google installiert. «Die Website kann ihre Info nur deshalb gratis anbieten, weil sie sich über Werbung finanziert.» Was die Partner mit diesen Daten anstellen, wisse er nicht.

Das ganze Internet betroffen

Auch der Betreiber von Pharmawiki.ch verspricht, die Benutzer künftig besser über das Tracking zu informieren. Pharmawiki selbst sammle keine personalisierten Daten, sagt Gründer und Apotheker Alexander Vögtli. «Die meisten unserer Benutzer erreichen uns über Google. Das bedeutet, dass sie bereits vor dem Besuch unserer Website getrackt wurden.»

Stellvertretend für viele andere Betreiber sagt Vögtli: «Das ganze Internet ist von Tracking betroffen. Eine Regulierung muss bei den grossen Playern wie Google, Facebook und Medienagenturen ansetzen.»

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